Reich kann jeder
wirklich bequem haben, sie könne Anne auch ein Kissen geben, dann könne sie den Kopf noch bequemer anlehnen?
Ich glaube, mir gefällt die Schwarzhaarige besser, obwohl es die Blonde war, die uns vorhin begrüßt hat: »Herr Rentzow, Frau Nürnberger, herzlich willkommen.«
***
War ich schon immer anders, frage ich mich plötzlich, war ich schon immer anders als andere?
»Mensch, Jan, das war ja klar, dass aus dir mal was wird«, sagt ein Kumpel im Biergarten zu mir, guckt mich an und lacht.
»Warum?«, frage ich.
Er zuckt die Schultern. »Das hat man schon damals gesehen, dass du nicht zufrieden bist und mehr willst.«
Das wusste ich gar nicht, sage ich ihm und bin wirklich sehr überrascht.
Ich erzähle Anne davon. Anne sagt, dass sei jetzt vielleicht komisch, aber bei ihr sei das auch so. Auch ihre Freundinnen würden sich kein bisschen über sie wundern.
***
Sich die Sachen nehmen, die man will, das kriegen, von dem man denkt, dass es einem zusteht, und manchmal noch ein wenig mehr: Wenn das typische Reicheneigenschaften sind, dann waren wir jetzt wirklich auf einem guten Weg. »Sobald ihr handeln wollt, müsst ihr die Türen des Zweifelns verschließen.« Wir hielten es jetzt mit Nietzsche.
Anne hatte gehört, dass jetzt diese große Avantgarde-Schau sein solle mit den ganzen Promis.
Wir jetten hin, total easy.
In unserem Marriott bereiten sie uns eine zünftige Platte zur Begrüßung, mit Brotzeit, Wurst und hellem Bier. Für uns, die Ehrengäste. Ich fühle mich immer noch ein wenig fremd in schönen Zimmern mit gutem Aroma in der Luft. Mir fällt ein bisschen Obazda auf die Fensterbank. Ich will ihn aufkratzen.
»Den darfst du liegen lassen«, sagt Anne. Sie hat recht. Daran gewöhne ich mich erst.
»Wo du überall aufräumen willst«, sagt sie – aber da bin ich schon im Bad mit den schwarzen Marmorfliesen, Wasser einlassen, Zeitung lesen.
Die Lokalzeitung trauert um den guten alten Kaviar: »Schickeria in der Krise. Würstl statt Kaviar.« Kaviar sei out, Dekadenz gerade lächerlich, Bodenständigkeit dafür in. Die Süddeutsche schreibt, dass niemand mehr so recht Rolex wolle und Rolex jetzt Uhren zurückkaufe, damit der Preis nicht verfällt.
Reiche und reiche Vorlieben sind gerade Thema. Überall.
Das beruhigt mich.
Es beruhigt mich, dass es nicht unangenehm auffällt, dass ich keine Rolex umhabe, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob das auch auf dieser Protzer-Messe funktioniert, bei der Anne uns angemeldet hat, zum Genießen von Luxus und Kontakte-Machen.
Das Ganze würde bestimmt sehr lustig, findet sie. »Für die Netzwerke!«
Immer wenn wir ins Hotel reinkommen, löst das Personal Alarm aus, dann tuscheln sie und begrüßen uns wie Superstars. Wir könnten den Zimmerservice in Anspruch nehmen, aber wir holen draußen für ein paar Euro Pommes.
Die große Avantgarde-Schau residiert in einem ehrwürdigen Palast, der so pompig auch in Sankt Petersburg stehen könnte.
Goldpuschel wehen uns rechts und links im Torbogen entgegen, es scheint, als sei der ganze Palast vergoldet, selbst die Decken auf den Stehtischen im Hof sind aus flatterndem Gold.
Na, super, denke ich. Seid ihr von gestern?
Keine Zeitung gelesen? Lest ihr gar nicht?
Aber da kommt der Chef der Avantgarde-Schau zum Tor, er isst offenbar gerne, was man schon ein bisschen sieht, er ist sehr zuvorkommend.
Die Goldkordel schwingt beiseite.
»Frau Nürnberger, wir haben telefoniert«, sagt er, berührt sie leicht an der Schulter, drückt ihre Hand und mir drückt er sie auch. Er tut für einen Moment so, als wäre es ihm lieb, wenn ich ein bisschen verschwinden würde, es wirkt auf mich, als wolle er Anne irgendetwas anvertrauen.
Er trägt ein rustikales Sakko, das ihm eher etwas Ländliches verleiht. Er spricht Dialekt.
Wir erfahren, dass er früher mal bei den Chorknaben war, Exprivatdetektiv und Exmaskenbildner ist.
Er hat einen spannenden Beruf, er ist in erster Linie ein Ex – ich will in erster Linie was werden, denke ich. Wie sich die Wege manchmal kreuzen. Ich finde es gut, dass er nie wichtiger war.
»Wen haben Sie alles eingeladen?«, frage ich ihn.
»900 Geschäftsführer, Privatbanker, Vorstände, CFO, CEO, Unternehmer.«
»Und was sind Sie?«, fragt er mich.
»Zurzeit arbeitslos.«
»Sie hätten wir jetzt nicht eingeladen.«
Ich wäre sonst auch nicht gekommen, denke ich, ich mag ihn nicht. Gut, dass er so lächerlich wirkt, das macht mich sicherer hier in seiner Welt. Neben mir schnauft
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