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Reich kann jeder

Reich kann jeder

Titel: Reich kann jeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Anne; Rentzow Nürnberger , Anne Nürnberger , Jan Rentzow
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Schweiz fliegen, schicken wir die Einladungen raus. In ZDF-orange, mit der Vita der Coaches. Hundertfach.
    An alle möglichen Schauspieler und Schönheitschirurgen, Adlige, Uni-Professoren, Wirtschaftsbosse, die Verantwortung tragen.
    Wir nennen sie »Entscheider und ihre Freunde«.
    Ich traue es mich ja kaum zu sagen, aber wir haben einen Praktikanten, wir bezahlen ihn für seine Dienste. Wir haben einen Praktikanten, der uns hilft, mit einem Guru-Seminar reich zu werden. Er kommt aber nur zwei Mal.
    »Was machen wir, wenn einer die Erfolge nicht ganz so spüren sollte?«, frage ich Anne.
    »Das sagen wir vorher an«, antwortet sie, »dann kriegt der sein Geld wieder.«
    ***
    Drei Stunden Schlaf, dann sind wir schon wieder unterwegs, zu dem Mann, vor dem ich wirklich großen Respekt habe. Er hat uns eingeladen, wir sollen zu ihm nach Hause kommen, er will mit uns essen!
    Moritz Freiherr Knigge will mit uns essen, und er will, dass wir bei ihm schlafen und dann noch einmal mit ihm essen, Abendbrot, Übernachtung, Frühstück.
    Der Nachfahre des großen Benimmpapstes bittet uns zu sich nach Hause, damit er uns auch wirklich etwas beibringen kann, das dann auch Früchte trägt.
    Frage deinen Gast, was er letzte Nacht getan hat, denke ich und schäme mich kurz für das Seminar, das ich gestern noch so lustig fand. Hoffentlich ruft niemand der Leute zwischendurch an, denke ich.
    »Liegen bleiben, bitte«, denke ich und stehe um 4.15 Uhr auf.
    Auf der Straße beneide ich alle, die jetzt noch schlafen dürfen, und sogar die Punks am Alex, die gemütlich auf dem Bordstein sitzen, die Beine lang auf die vierspurige Straße ausgestreckt, auf der sonst immer Stau ist und jetzt niemand unterwegs ist außer mir. Sie sitzen da, sie rauchen und lachen. Und nachher werden sie wieder ein paar Autoscheiben wischen, solange sie Lust haben, und mit Sicherheit den ganzen Tag nichts falsch machen.
    »Fahren wir jetzt auf ein Schloss oder wo fahren wir hin?«, frage ich Anne im Zug nach Schönefeld. »Nee, glaube ich nicht«, sagt sie und macht die Augen zu, als sei es ihr egal.
    »Wieso weißt du nicht, ob wir auf ein Schloss fahren?«, frage ich sie.
    »Jetzt komm mal runter«, sagt sie, das werde sich schon finden.
    »Haben wir ein Gastgeschenk?«, frage ich. »Wir brauchen doch ein Gastgeschenk, wenn der uns einlädt, brauchen wir doch eine kleine Aufmerksamkeit.«
    »Vielleicht schenken wir ihm eine Einladung für das Guru-Seminar«, sagt Anne, aber dafür erntet sie von mir nicht das, was sie sich erhofft hat.
    Wir sprechen nicht viel im Flugzeug.
    Moritz Freiherr Knigge, der im großen Clan der Knigge-Nachfahren am besten weiß, wie man sich benimmt, scheint ein Mann zu sein, der eindeutig sagt, wenn etwas schlimm ist. Oder unappetitlich.
    Aufgewachsen auf dem Rittergut Bredenbeck, lese ich, BWL-Studium, Unternehmensberater, kämpft für angemessene Umgangsformen.
    In seinem Buch Eine Frage, Herr Knigge , das Anne jetzt schnell noch nach den wichtigsten Weisheiten durchkämmt, schreibt er, auch ihm passiere es immer wieder, dass er mit vollem Mund spricht. »Kauen Sie zu Ende, schlucken Sie Ihre Bissen hinunter. Nichts ist unappetitlicher, als dem Gegenüber seinen offenen Mund darzubieten und im schlimmsten Fall den einen oder anderen Speisebrocken auf die Reise zu schicken …« Das passiert mir nicht, denke ich. Ich spucke nicht.
    »Wer seinen Gästen ein Freund sein will, der setzt weniger auf Glanz und Gloria als auf die eigene Freude daran, dem anderen seine Tür mit der größtmöglichen Selbstverständlichkeit zu öffnen«, liest Anne mir vor, und ich stelle mir vor, dass vielleicht ja doch nicht alles so streng wird wie befürchtet.
    Dann setzt das Flugzeug zur Landung an. Die Stewardess hilft dem Mädchen in der Reihe vor mir mit der Tasche. Hopp, alles raus, in die Schwitz.
    ***
    Um 17 Uhr war ausgemacht, um 17.20 ruft Anne das erste Mal an und sagt, wir bräuchten noch fünf Minuten, und dann dauert es noch einmal eine halbe Stunde. Es gibt Dinge, die dürfen nicht passieren, aber dann passieren sie trotzdem.
    Wir sind eine geschlagene Stunde zu spät. Wir schwitzen, als wir unten klingeln, wir sind wütend aufeinander. Wir haben geschrieen, ich habe das. Wir haben einen Sonnenblumenstrauß aus der Bahnhofshandlung, der aussieht wie Tierfutter, für einen Mann, der mit Blumen wahrscheinlich nicht ganz so viel anfangen kann und jetzt bestimmt schon sauer ist.
    Moritz Freiherr Knigge, der Unternehmens- und Anne-Berater,

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