Reich kann jeder
würden. Wenn nicht wir es machen, dann machen es andere, da sei sie sich sicher.
Sie freut sich wie verrückt auf unser Seminar, das ausgebrannten Erfolgsmenschen neue Kraft versprechen soll und noch mehr Erfolg.
***
»Das wird richtig gut«, sagt Anne. »Wenn die Teilnehmer glauben, dass wir ihnen wirklich etwas geben, dann klappt das auch«, behauptet sie. »Jan, dann kriegen die wirklich etwas für ihr Geld.«
Wie könnten wir es machen?
Mit gezielten Atemübungen?
Mit Meditation?
Mit etwas Spirituellem?
Ich weiß es erst noch nicht und denke nur daran, was passiert, wenn da doch etwas schiefgeht. Da habe ich keine Lust drauf, ehrlich nicht, aber Anne versucht mich zu beruhigen. »Das funktioniert wie eine Theaterinszenierung«, sagt sie.
»Ich ziehe dann mein weißes London-Kleid an, und du bist auch ganz in Weiß, wir treten nur als Veranstalter auf, dekorieren bei mir zu Hause mit Biobuffet und Wellness-Drinks, vielleicht organisieren wir einen Fahr-Shuttle.«
Sie macht eine kleine Pause, und dann sagt sie:
»Ich glaube, es ist doch besser, wir hängen die Fenster zu, damit die Nachbarn davon nichts mitkriegen.«
Jean-Marie und Sienna sollen das Seminar machen, zwei Freunde, die auf der Filmhochschule in Paris waren, zwei Cracks, die daran bestimmt viel Spaß hätten.
Und natürlich: Unser neuer Freund, der Guru von der Messe, der soll der Stargast sein, seine Thesen unter die Leute streuen und als Dankeschön seinen Schmuck verkaufen.
Der Stargast weiß noch nichts von seinem Glück und muss irgendwie darüber informiert werden.
»Der muss unbedingt kommen«, sagt Anne, und ich finde das auch.
Das Konzept für das Seminar entwickeln wir gemeinsam. Ich nenne es ganzheitlich, wie eine Massage, wenn man Rückenschmerzen hat. Wir achten darauf, dass jedes Wort möglichst teuer klingt und Lust macht.
»Wir geben unseren Teilnehmern die Kraft, ihren Alltag noch besser zu bewältigen als bisher und kritische Situationen künftig mit einem verbesserten geistigen und körperlichen Gesamtzustand zu meistern. Wir geben ihnen die Gelegenheit, ihren bisher erreichten Erfolg zu stärken, durch die Bewältigung von Ängsten, Blockaden und Elementen beruflichen und familiären Drucks.«
Ist das gut? Kommen da Jean-Marie und Sienna genügend zu Wort? Hat da der Guru seinen Platz?
Ja, sehr gut.
Wir machen eine exklusive Premiere, schlage ich vor und nenne Preise, die mir völlig absurd vorkommen. »Nur für ausgewählte Leute und ihre Freunde. Die Teilnehmer sollten das Gefühl haben, dass nur sie ausgewählt wurden, weil sie etwas Besonderes sind.«
Sie sind besonders und dürfen mit unserer Hilfe noch besonderer und effizienter werden und ihre Potenziale noch weiter ausschöpfen. 390 Euro ist der Premierenpreis.
Wir sollten 20 Leute zusammenkriegen, 20 Leute mal 390 Euro, rechnen wir, das macht 7800 Euro.
Wenn wir das erst mal gut gemacht haben und die Gäste davon geschwärmt haben, wie toll es war, erhöhen wir den Preis auf 690 Euro.
So machen wir es.
Alle, denen wir davon erzählen, sind begeistert, keinem scheinen die Preise zu hoch.
Jean-Marie und Sienna schlagen vor, das Seminar »Buddhas Atem« zu nennen und auch noch Atemtechniken aus Thailand mit einzubauen, »die zielgerichtete Kraft der Mönche des Wat-Bang-Phra-Tempels bei Bangkok«.
Dann würden die Gäste auch wirklich etwas mitnehmen.
So komisch atmen, das könne Sienna ganz gut, das habe sie in ihrer Gesangsausbildung gelernt. Wenn man dann noch klarmache, dass man diesen ganz besonderen Atem, der aus Thailand komme und Quell von Inspiration sei, dass man den ganz leicht lernen könne und überall anwenden, das sei doch was.
Das mache die Sache doch rund.
Anne fragt einen alten Bekannten, der in Berlin auf Super-Networking macht, Ökobranche. Sie sei sich mit dem Preis immer noch nicht sicher, ob 690 Euro für einen Nachmittag nicht doch zu hoch wären. Sie habe da ein komisches Gefühl, sie atme sonst ja nicht buddhistisch.
»Da seid ihr aber echt noch billig«, beruhigt er und schlägt vor, dass er Jean-Marie und Sienna vorher noch einmal treffe, dann kenne er da vielleicht auch noch ein paar Leute, für die das Seminar etwas sei.
Es ist ein bisschen unglaublich.
»Dürfen wir auch kommen?«, fragen zwei Freunde, schon bevor überhaupt irgendwas gestartet ist. Unsere Lektorin vom Verlag will einen Buchvertreter vorbeischicken, »dann kann der mal sehen, was ihr so alles macht«.
Sonntagnacht, bevor wir zu Knigge in die
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