Reich kann jeder
Porsche auf dem Autozug nach Sylt, Männer und Frauen mit engen Jeans und großen Gürteln. Am Bahnhof gab es für die Hündchen ein Klo.
Wir haben die ganze Zeit über Laura gesprochen, die uns erst auf die Idee gebracht hat, 11 000 Euro, eine Bekannte hätte es auch gemacht. 11 000 Euro in zwei Wochen an der Champagner-Bar beim Oktoberfest. Das Trinkgeld steuerfrei. Und einen Mann hatte sie danach auch gleich. Prösterchen!
Stößchen!
So lief das.
»Ich weiß nicht, du glaubst doch nicht im Ernst, dass das so leicht wird?«, habe ich auf dem Autozug gefragt. »Ich glaube nicht, dass man da hinkommt, und dann sagen die: ›Schön, Frau Nürnberger. Auf Sie haben wir gewartet‹.«
»Glaubst du, ich kann das?«, hat Anne gefragt. »Glaubst du, ich kriege das hin, dass ich diesen ganzen Promis die Sachen bringe? Ich habe doch nur mal gekellnert als Studentin. Einmal habe ich ein Tablett mit sechs Pernot Banane über eine Designer-Lederjacke gekippt. Aber nur einmal.«
Sylt, wir sind jetzt auf dem Weg dorthin, wo Johannes B. Kerner ein Haus hat, wo Friede Springer ein Haus hat, wo der Hamburger Werber Manfred Baumann eines der schönsten Häuser hat und einmal im Jahr 150 Duzfreunde zum Krebsessen einlädt. Günther Jauch ist ständig da, Dieter Bohlen auch. Wer etwas auf sich hält, ist ständig auf Sylt, fliegt mit dem Hubschrauber ein oder per Linie.
Sylt, das ist Exzess, Sylt, das sind Colliers bei Bulgari für 250 000 Euro und Krokodilleder-Jacken für 39 000, das sind hellgrüne Poloshirts und eine reiche Jugend, die von Papi das Geld kriegt.
Sylt, das ist Langeweile und Strand und Seele weglegen und abkühlen für alle, die Geld haben.
Sylt, da trägt man weiße Hosen und Crash-Sommerschals, locker um den Hals. Man trägt Strandtaschen passend zu den Sandaletten, Haute Couture am weißen Strand.
Man macht Küsschen, Küsschen, duzt sich, und alle wünschen sich einen »Schönen Tag«.
Anne wird das Trinkgeld ansaugen wie ein Magnet, denken wir.
Ob Günther Jauch viel gibt? Ob Johannes B. Kerner viel gibt? Ob die Jungen mehr geben oder die Älteren?
»Im ›Roten Kliff‹ will ich nicht«, sagt Anne. »Da sollen die reichen Söhnchen den Champagner spritzen. Trinkgeld geben doch bestimmt nur die Älteren, die wissen, was sich gehört.«
Fünf Grad heißer soll es auf Sylt sein als in Berlin, die Insel kommt näher, das Wasser sieht so blau aus, man kann schon die Gräser sehen, und der Strand wirkt wie ein großer blonder Zopf.
»Es geht hier nur darum, wer alles wieder da ist. Und wo. Wer mit wem«, sagt Anne. »Zum Entspannen kommt man woanders hin. Die zeigen sich hier, da geht es nicht um Diskretion.«
Dann verlassen wir den Zug.
Wie sollen wir es machen? Wie kriegt Anne hier einen Job?
Anne sagt, sie wolle es erst in der »Sansibar« versuchen, wo es den tollen Babysteinbutt geben soll, die berühmten Kalbsfiletschnitzel für 45 Euro und die Flasche Château Pétrus für 1600 Euro.
Anne sagt, dass die Sansibar, was die Preise angeht, ganz wunderbar klinge, und dass da alles top durchorganisiert sei.
Die Sansibar soll aussehen wie eine Skihütte, eine Bretterbude mit großen Fahnen, zwei Piratensäbeln als Symbol, und man muss in die Dünen reinlaufen, um hinzukommen.
Sansibar, wir fahren zuerst da hin, parken auf dem hinteren Parkplatz, es gibt auch einen vorderen, aber der ist schon voll.
Eine Gruppe von Jungen mit Sonnenbrillen kommt uns entgegen, mit hochgestellten Polokragen. Ein Typ mit Badeschlappen und Glatze kommt uns bekannt vor.
»Ist das nicht Joachim Hunold, der Gründer von Air Berlin? Anne, das ist doch der Hunold!«
Ich stelle mir vor, dass der Hunold gerade ein großes Trinkgeld für sein Morgengetränk gegeben hat. »Klasse Service, meine Liebe!«
Anne sagt, dass das Dünengras so wunderbar dufte, und fragt sich, ob das parfümiert ist. Ich sage, dass es schon ganz schön krass ist, wer hier so rumläuft.
»Du, Anne, die da kommt, ist das nicht die Frau Jahr von Gruner und Jahr? Die sitzt da im Aufsichtsrat.«
Die Sansibar hat eine Holzterrasse, davor gibt es Strandkörbe. Die Sonne knallt auf die Holzterrasse, die Bänke sind alle voll, die Strandkörbe sind alle voll, es ist elf Uhr, und Annes Konkurrentinnen bringen gerade Erdbeerbowle.
Noch mehr Kellnerinnen kommen, ganz viele Kellnerinnen in hauseigener Sportswear sind im Einsatz und bringen ganz viel Buntes auf weißen Tellern, für die Crème de la Crème bringen sie drinnen.
Im Kühlen hinter der
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