Reich kann jeder
Holztür, vor der der Chef steht, der die Insel angeblich seit Jahren nicht verlassen hat.
Herbert Seckler, der Chef, ein leiser Mann mit blassrosa Hemd und Jeans, steht vor dem Eingang, zieht seine Kreise, begrüßt die Wichtigen mit Schulterschlag oder leichter Umarmung, nimmt fremde Hände in seine.
»Geht’s euch gut?«
»Alles in Ordnung bei euch?«
Er küsst und grüßt und küsst und lächelt. Es ist heiß. Die Luft kocht, es ist wirklich heißer als in der Hauptstadt.
Wir warten, dass was frei wird, setzen uns so, dass er uns sieht, bestellen Kaffee, er lässt uns nicht aus den Augen, zumindest bilde ich mir das ein.
Wie viel Personal braucht er, um einen Reichen glücklich zu machen? Darf es die Reste essen? Muss es für Verschwiegenheit unterschreiben, für das, was es mitkriegt? Wo findet er sein Personal? Im Finale vom Beach-Volleyball?
Locker sein, souverän, ermahnt mich Anne.
»Der macht das! Der nimmt mich.«
Das nächste Mal, als der Promi-Wirt in unsere Nähe kommt, ruft sie: »Das stimmt doch nicht! Das kannst du doch nicht behaupten!«
Voll empört klingt sie.
»Was ist denn los?«, fragt der Wirt, bereit zu schlichten.
»Er hat gesagt, dass ich zu alt wäre, um hier zu arbeiten. Er hat behauptet, ich würde das nicht schaffen!«
Der Promi-Wirt kommt, jetzt steht er neben mir, ganz ruhig.
»Klar kann sie das«, nuschelt er und guckt mich strafend an. Das macht man doch nicht.
»Das schafft die nicht, die bricht dir hier zusammen wie ein Zirkusgaul«, sage ich und gucke den Wirt an – halb lachend, halb ernst – und spiele das Arschloch. »Das schafft die nicht.«
Ich will ihn nicht wissen lassen, ob ich das ernst meine oder nicht. Er soll zweifeln.
Der Promi-Wirt – und wir. Er hat Mitleid mit Anne. Er streichelt ihr die Wange.
Er, der Mann aus Schwaben, der alle und jeden bedient und Partys macht für 150 Promis gleichzeitig. Da steht er und streichelt und sagt: »Ich schicke dir meinen Personalchef. Er stellt dich sofort ein.«
Er meint es ernst, ganz sicher, und ich bin sprachlos. Ein Trompetenspieler kommt, spielt den Triumphmarsch von »Aida«.
»Ich habe einen Job, ich habe einen Job«, jubelt Anne. »Ich kann hier anfangen.« Da beginne ich sie zu drücken, und beim Drücken scherze ich, dass ich hoffe, dass sie das kann, aber nicht daran glaube, bis ich es sehe.
Dass ich hoffe, dass sich Johannes B. Kerner nicht an seinem Sambuca verbrennt, wenn sie ihm denn einen bringt.
»Ich werde mich so lange ein bisschen umhören und gucken, was es so für Geheimnisse gibt und welche Depots ich mir anlegen muss«, sage ich. »Und wenn du hier jemandem Cappuccino übergießt, rufe ich: Festnehmen!«
Anne lacht.
Was für ein Spaß.
Es funktioniert. Man kriegt Sachen, wenn man nicht um sie bittet, sondern sie sich erspielt.
Wir haben Spaß und gucken uns weiter um.
»Wart ihr schon bei Greta?«, ruft Laura an, gerade in dem Moment, in dem ich mich über eine hochgeschossene Bikini-Lady mit Gucci-Täschchen freue, die sagt: »Zwei Kilo Erdbeeren und zehn Prosecco, mir dröhnt der Kopf!«, als sie sich mit der Hand über den Bauch fährt wie mit dem Bügeleisen über ein halb nasses Hemd und zu husten beginnt, und ich denke, dass gleich die Erdbeeren zurückkommen.
»Ihr müsst zu Greta! Die macht den ›Rauchfang‹. Das ist eine Freundin von mir, ich habe sie gerade in Miami getroffen!«
Unbedingt zu Greta!
Wir fahren hin, zur Whiskeymeile in Kampen.
Greta steht in ihrem berühmten Kneipengarten und herrscht gerade ihre braun gebrannten Sonnenbrillen-Kellner an wie ein Offizier. Die Tische, so hätten sie ja noch nie gestanden, in all den Jahren nicht, der hier, der müsse ein Stück rüber unter den Sonnenschirm, der stehe ja mitten im Gang.
Die Kellner parieren. Wortlos. Sie freut sich.
Dann springt sie in ihren Wagen und ist weg.
Sollen wir schon mal reingehen, einen Kaffee bestellen, dort auf sie warten, fragen wir uns.
Da ist sie schon zurück, hupt und winkt aus dem Auto. Irgendein Volltrottel hat ihr mit seinem Oldtimer die Einfahrt voll geparkt, und jetzt kommt sie mit ihren Kuchenblechen nicht rein.
Wir eilen hin.
»Ihr wisst ja gar nicht, wo ich hingehöre«, sagt sie.
»Doch! Klar wissen wir das!«
Dann helfen wir ihr, tragen ihr die Torten ins Haus. Man muss nur da sein, wenn Greta mit dem Kuchen kommt, und schon spielt man sich in ihr Herz.
»Du hast ja immer so viel Arbeit«, sage ich zu ihr, obwohl wir uns noch gar nicht kennen, aber ich sehe
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