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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gedacht, denn die Summe, die Jennys Mann kaum bemerkt hätte, würde mit Sicherheit ein ziemliches Loch in die Ersparnisse ihrer Eltern reißen.
    Parr zog seinen Hemdkragen gerade und drückte den Klingelknopf, worauf jenseits der Tür so etwas wie ›Greensleeves‹ erklang. Alle Mitbewohner von Kevinwollten zur Beerdigung kommen. Fast alle hatten Jenny dann und wann getroffen, hatten sie gemocht und wollten Kevin Beistand leisten. Er wisse, was für eine Art Leute ihre Eltern seien, hatte Parr ihnen daraufhin erklärt. Es sei besser, es sie vorher wissen zu lassen, es mit ihnen zu klären:
Es richtig zu machen.
    Swain kam an die Tür und führte ihn ins Wohnzimmer. Seine Frau saß auf dem Sofa, mit einem Fotoalbum auf dem Schoß. Parr sah die beiden an. Sie hätten seine eigenen Eltern sein können. Hart arbeitend und, was für ein schreckliches Wort,
anständig.
Sie waren wahrscheinlich im gleichen Alter, oder besser: wären es gewesen. Parrs Mutter lebte noch, aber sein Dad war zwei Tage vor seinem vierzigsten Geburtstag gestorben. An Krebs. Hatte zwanzig Jahre lang in einer Farbenfabrik gearbeitet und war wahrscheinlich durch einen fahrlässigen Polymerisationsprozess, der später verboten wurde, krank geworden. Aber eben nur wahrscheinlich. Es hatte medizinische Zweifel gegeben und damit Raum zum Manövrieren. Die Firma musste nicht einen Penny Entschädigung zahlen. Aber die Arbeit war sicher gewesen, solide. Das hatte sein Dad immer gesagt. Seine Freunde auch. Alle, die zu ihnen ins Haus kamen, alle in der Straße, alle, die man je traf. Achtundvierzig von zweiundfünfzig Wochen. Fünf, sechs Tage von sieben. Einmal, da war er fünfzehn gewesen und entsprechend vorlaut, bereit, die Welt zu verändern, hatte Parr seinem alten Herrn gesagt, lebenslänglich für einen Mord sei weniger.
    Jennys Vater machte eine Tasse Tee. Die Mutter zeigte ihm Fotos von der kleinen Jenny, wie sie gerade laufen lernte, wie sie älter und schließlich erwachsen wurde. Seinen Dad hatten sie in einer Rattenfalle gefangen, aberihn hatten sie nicht bekommen. London, Paris, Amsterdam. Besetzte Häuser, Kommunen, Agitprop. Scheiß auf die Reichen. Als er zehn, zwanzig Jahre später zurückgekommen war, hatte er sich nach seinen eigenen Maßstäben eingerichtet, war sich treu geblieben. Immer noch mit dem Durchblick. Der Plattenladen lief ganz gut, und es gab regelmäßig Politisches zu tun. Basisarbeit. Die verborgenen korrupten Strukturen aufdecken und sie der Jugend zeigen.
    »Ich glaube, Sie sollten wissen, dass sie glücklich war«, sagte er. »Mit Kevin. Danach hatte sie gesucht.«
    Die Mutter sagte, es sei gut, dass er gekommen sei. Der Vater sagte, sie hätten die Beerdigung auf Donnerstag um zwei festgelegt.
    »Je eher wir es hinter uns haben«, murmelte er, und dann versiegte seine Stimme.
    Parr trank seinen Tee und gab sich ausnahmsweise einmal Mühe, nicht zu schlürfen.
     
    Im Versuch, mit seinen neueren, grelleren Konkurrenten mitzuhalten, hatte der »Brewer’s Rest« neuerdings schon ab neun Uhr morgens geöffnet, bot den ganzen Tag über Frühstück, Tee, Kaffee und Gebäck an und zielte so zusätzlich auf das Publikum, das tagsüber keinen Alkohol trank. Der Kaffee war alles andere als ausgezeichnet, aber doch immer noch besser als das aufgewärmte Petroleumderivat, das es in der Polizeikantine gab. Jacobson bestellte sich eine große Tasse, verzichtete auf das Gebäck und suchte sich einen schattigen Platz im noch ruhigen Biergarten.
    Er kam gerade aus einer Besprechung mit der zweiköpfigen Chief-Superintendent-Bestie und musste einen klaren Kopf für die Teambesprechung um halb zehnbekommen. Chivers hatte geschnaubt und getobt über Jacobsons völlig übereilte Aktion und sein Abweichen von der festgelegten Marschroute. Aber tief drinnen lebte in Chivers immer noch der Polizist, verborgen unter Schichten von schwachsinnigem Managementgehabe, und so hielt er zwar den Standardvortrag, fand aber hinterher dennoch die Zeit, um »gut gemacht« zu sagen, »schnelle Arbeit«. Weit besorgniserregender wäre die frostige Reaktion Salters gewesen, wenn Jacobson denn etwas auf dessen Meinung gegeben hätte. Salter hatte ihn nur angeschwiegen: Noch bevor er die Zügel in die Hand bekam, hatte er wahrscheinlich gedacht, wurde er bereits an die Wand gespielt, unterminiert und vorgeführt.
    Jacobson zuckte mit den Schultern und versuchte, den geschmeidigen Bewegungen der morgendlichen Bedienung, die sich am Nebentisch an den

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