Reich und tot
Aussöhnung, in den sogenannten »anderen Umständen« gewesen war.
Er sagte Josh, seine Fragen seien damit beantwortet, und sie brachte ihn zurück zur Tür. Er wünschte ihr Kraft für die schlaflosen Nächte und ging zurück zu seinem Wagen. Die Sonne brannte ihm ins Gesicht. Morgen würde er seine Baseballkappe tragen, egal wie sehr es Jacobson nervte. Vorausgesetzt, sie müssten morgen überhaupt zum Ermitteln antreten. Die meisten Mordfälle waren klare Geschichten, die in Stunden und nichtWochen gelöst wurden. Genau so schien es auch diesmal zu sein. Mit jeder Minute sah es schlechter für Gus Mortimer aus. Selbst Josh und Lynne hatten gehört, dass er seine Frau schlug. Und was Kevin Holland betraf: Im Gegensatz zu Mortimer würde er wahrscheinlich nie zu einem Rotary-Dinner eingeladen werden, aber dafür war sein Alibi absolut wasserdicht.
Eric Brown war nicht polizeilich gemeldet und die Adresse, die Jenny Mortimers Eltern Jacobson gegeben hatten, lange überholt. Es war nicht nur so, dass Brown dort nicht mehr wohnte, die Adresse selbst existierte nicht mehr: Die Straße war zusammen mit ein paar anderen dem inneren Ring sowie dem Ausbau des Waitrose-Komplexes im Weg gewesen. Jacobson hatte das alles mit Handy und Pager auf dem Weg von der Leichenhalle zurück ins Präsidium ausgekundschaftet. Dort stieg er in sein eigenes Auto um und fuhr Richtung Riverside, einer möglichen Spur zu Eric Brown folgend.
Die Swains hatten erzählt, ihre Tochter habe Brown an der Schule kennengelernt, an der beide arbeiteten, der Simon-de-Montfort-Gesamtschule. Jacobson nahm an, dass es dem Image der Schule, die sich Gemeinschaftsgeist und Chancengleichheit auf die Fahnen geschrieben hatte, nicht unbedingt zuträglich war, dass sie den Namen eines psychopathischen Despoten trug, aber er hatte nicht die Zeit, darüber in Ruhe nachzudenken. Im Büro war es ihm noch gelungen, telefonisch eine der Schulsekretärinnen aufzustöbern. Wie es schien, hatte Eric Brown die Schule vor ein paar Jahren verlassen. Die Frau meinte sogar, er habe seinen Lehrerjob ganz an den Nagel gehängt. Die einzige Idee, die sie hatte, war, den mittlerweile pensionierten Mr Grant zu fragen, der den englischen Fachbereichgeleitet hatte, in dem Brown tätig gewesen war. Die Sekretärin sagte, die beiden seien nicht nur Kollegen, sondern regelrecht Freunde gewesen. Wenn jemand wisse, wo Mr Brown heute zu finden sei, dann sei es Grant.
Kenneth Grant wohnte praktisch nur einen Steinwurf von den Barnfields entfernt, wenn seine Straße auch weniger herrschaftlich und die Häuser kleiner waren. Jacobson parkte direkt vor der Tür. Da er schon mal hier war, würde er nachher schnell nach dem Wachposten vor dem Haus der Barnfields sehen und so zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er stellte den Motor ab und blieb noch einen Moment sitzen. Die Hitze war erdrückend, noch schlimmer als gestern. Kein Wetter, um hektisch herumzurennen, aber das brauchten sie in diesem Fall zum Glück ja auch nicht. Da reichte das normale Geschäft. Routinemäßiges Abklopfen des Umfeldes. Er war zu neunzig Prozent sicher, dass sie den Mörder bereits in Gewahrsam hatten. Zwar wusste er nicht genau, welche fiese Ecke in Kerrs Gehirn das so effektvolle »Oh, Kevin« bei Mortimers Befragung hervorgebracht hatte, doch es kam ihm mehr und mehr so vor, als hätte sein DS damit die tiefe, finstere Wahrheit getroffen.
Gus Mortimer war ein Alpha-Tier, das sich seinen Weg nach oben erkämpft hatte. Seine Frau war sein Eigentum, genau wie sein Haus, seine Autos, sein Swimmingpool. Wenn sie aus der Reihe tanzte – oder wenn ihm einfach danach war –, schlug er zu. Leider war sie diesmal einen Schritt zu weit getanzt, und er hatte zu hart zugeschlagen. Jacobson stieg aus und schloss den Wagen ab. Selbst in einer Gegend wie dieser konnte man nicht vorsichtig genug sein. Er würde seine Rente darauf verwetten, dass der Samen in Jenny Mortimer der DNA ihres Mannes entsprach. Das würde zwar nicht
beweisen
,dass er sie umgebracht hatte, aber doch sehr für das sich mehr und mehr herausschälende Szenario sprechen: Mortimer hatte seine Frau nach Hause gezerrt, rasend vor Wut über ihren Affront. Er hatte sie geschlagen, sexuell missbraucht, erwürgt und ihren leblosen Körper schließlich auf die rote Kiesauffahrt geworfen. Das einzig Verwunderliche war, dass er sie später, bei seinem Aufbruch ins Büro, nicht auch noch überfahren hatte.
Kenneth Grant saß auf einer alten Holzbank
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