Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
von ihr verlangt hat, ihm reinen Wein einzuschenken, weil er es sonst tun würde?«
    Parr kratzte sich den Teil seines Kopfes, auf dem noch Haare wuchsen.
    »Das wusste ich nicht, Mann. Dass er wollte, dass sie zu ihm zog, das schon. Aber ich dachte, das würde bedeuten, dass sie bei Nacht und Nebel von zu Hause abhaut. Besonders, wo er sie eh gerne verprügelt hat. Ihr Mann, meine ich.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Direkt aus erster Hand, Mann. Eines Nachmittags hat sie mir ihr Herz ausgeschüttet. Kevin war noch bei einem Auftrag auf der anderen Seite von Wynarth, und wir haben in der Küche gequatscht. Wie man das so macht.«
    Parr ließ ein Pfeifen hören, das wegen der fehlenden Zähne eher ein Zischen war.
    »Himmel. Kein Wunder, dass Kevin sich jetzt Vorwürfe macht.«
     
    Robert Johnson war unter den Augen von DC Dennett an der Haltestelle vorm Nachbarschaftsberatungszentrum in einen Bus der Linie 43 gestiegen. DC Aston stieg eine Haltestelle später zu, setzte sich ganz nach hinten und vergrub den Kopf im Sportteil des ›Daily Star‹. Johnson fuhr bis zum Busbahnhof Flowers Street und mit der Rolltreppe hinten im Bahnhof hinauf in das dortige Einkaufszentrum. Er lief durch die Markthalle und blätterte an einem der Antiquariatsstände in ein paar Taschenbüchern. In Desai’s Heimwerkerparadies begutachtete er einen übel aussehenden Hammer, kaufte ihn aber nicht und ging dann nebenan in die »Market Tavern«.
    An der Theke bestellte er sich ein Grolsch und ein
Captain’s Special,
panierten Kabeljau mit Pommes und Erbsen. Während er sich über sein Essen hermachte, trank Aston in der gegenüberliegenden Ecke ein schales Marston’s Pedigree. Drei Mal musste er dem stinkenden Besoffenen am Nachbartisch sagen, er solle sich trollen. Die »Market Tavern« war, wie Aston schnell begriffen hatte, die Art Pub, in der jeder was bekam, der seinen Drink gleich bezahlen konnte, was praktisch bedeutete, dass die Kundschaft hauptsächlich aus Straßenbewohnern, Dieben und Sozialfällen bestand. Die Markthändler selbst und die gottesfürchtige, Hypotheken abzahlende, ›Daily Mail‹ lesende Öffentlichkeit machte einen großen Bogen um den Laden.
    »Iss’n verdammt guhts Rah-dio«, erklärte ihm der Betrunkene jetzt zum vierten Mal. Das war genau das, was Aston in dieser Situation brauchte, einen Streit mit einem versoffenen Schotten. Er hasste die Schotten. Die
British National Party
würde jederzeit seine Unterstützung bekommen, wenn sie nur die Schwarzen in Ruhe ließ und ihren beschränkten Blick stattdessen nach Norden richtete. Entweder waren sie, die Schotten, nutzlose Versager wie der Kerl hier oder schlaue Dreckskerle wie Gordon Brown, der das Land von oben übernahm. Und nicht zuletzt waren sie, wie Aston es selbst hatte erleben müssen, darauf aus, mit den Frauen anderer Männer durchzubrennen.
    »Wenn du dich nicht trollst und die Schnauze hältst, kommt dir Radio One gleich aus dem Arsch raus, Mann«, erklärte ihm Aston.
    »Du dih-dich auch«, antwortete der Betrunkene, beließ es aber dabei. Er wankte hin und her und wäre beinahe umgekippt, als er sich zurück an seinen Tisch setzte.Aston gab Dennett mit dem Pager seine Koordinaten durch und tat dann so, als studierte er die Rennergebnisse, bis Johnson Anstalten machte weiterzuziehen. Er folgte ihm auf den Flowers Way hinaus und weiter in die High Street, wo eine Art Rockabilly-Revival-Band von den Passanten geflissentlich gemieden wurde. Der Bassist, der einen Oberkörper wie ein Umzugskarton hatte, trug trotz der Hitze ein gefährlich aussehendes Sweatshirt. Schramm hier bloß nicht ab und versau mir meine
Blue Suede Shoes,
dachte Aston. Er schenkte ihnen drei flüchtige Minuten seiner Zeit, genug, um Johnson ausreichend Vorsprung zu geben, und warf ihnen dann eine Pfundmünze für ihren nichtsahnenden Beitrag zum Erhalt von Recht und Ordnung in den Hut.
    An ihrem Ende weitete sich die High Street zu einem allein Fußgängern vorbehaltenen Platz, auf dessen gegenüberliegender Seite sich das Rathaus erhob, ein weißes Gebäude aus den 1930ern mit Art-déco-Ornamenten. Davor stand eine Reihe stattlicher Eichen. Das Rathaus und die Bäume hatten den Stadtplanungsvandalismus der 1960ger überlebt. Alles andere muss dem Erdboden gleichgemacht und durch architektonische Monstrositäten ersetzt worden sein, dachte Aston. Die Stadtbibliothek und das gegenüberliegende Polizeipräsidium waren solche Zumutungen. Was den Augen die Wahl zwischen der

Weitere Kostenlose Bücher