Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
mehrstöckigen Parkgarage und der Rückfront des Einkaufszentrums ließ. Er kaufte sich eine Zeitung am Kiosk neben »Häagen Dazs«. Geboren und aufgewachsen in Birmingham, fühlte er sich in diesem Ambiente gleich zu Hause.
    Johnson blieb in der Mitte des Platzes stehen und tat so, als beobachtete er die Tauben. Er hatte seine Verfolger noch nicht entdeckt, aber es war klar, dass sie hierirgendwo waren. Schließlich schlossen sie dich nicht die ganze Nacht an einen Computer an, um dich dann tagsüber frei herumlaufen zu lassen. Die Bullen hier mussten ihn dafür hassen, dass er zurückgekommen war. In ihr Revier. Dass er in ihren Raum eindrang. Pech für euch!, dachte er. Er hätte den Hammer tatsächlich kaufen sollen, nur um sie zu verarschen. Eine verheiratet aussehende Schlampe eilte an ihm vorbei. Fünfunddreißig oder noch älter. Aber gute Beine. Der würdest du einen reinschieben, wenn du in Spendierlaune wärst. Sie senkte die Augen, als er sie anstarrte. So ist’s recht, Nutte, dachte er. Guck weg und tu so, als bräuchtest du’s nicht. Aber warum läufst du sonst mit heraushängenden Titten herum? Schlampe. Geiles Luder. Er sah, dass sie einen Korb mit Büchern am Arm hängen hatte. Super. Er hatte sowieso in die Bibliothek gewollt, und mit etwas Glück glaubte sie, dass er ihr folgte.

7
    Die Autopsie war für drei Uhr angesetzt. Als Leiter der Ermittlungen war Jacobson genau wie der oberste Spurensicherer und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft offiziell gehalten, am Ring Platz zu nehmen. Er kam gerade rechtzeitig und stellte befriedigt fest, dass nur noch in der letzten Reihe ein Platz frei war, nicht weit von der Tür: Das Leichenaufschneiden war nichts, woran man sich gewöhnen konnte. Mit der Videokamera schien etwas nicht zu stimmen. Jacobson starrte auf seine Schuhe, während sich jemand darum kümmerte und das Ding wieder in Gang setzte.
    Zuallererst röntgte Robinson Jenny Mortimers Genick. Professor Merchant, was immer man an ihm auszusetzen haben mochte, hatte seinen Schüler gut ausgebildet. Das Zungenbein, ein kleiner Knochen, der direkt über dem Adamsapfel saß, brach fast immer, wenn jemand erwürgt wurde. Es war ein alter Trick der Verteidigung, vor Gericht zu behaupten, der kleine Knochen könne ebenso gut bei der Autopsie kaputtgegangen sein. Diese Möglichkeit schloss Robinson mit seinem Vorgehen aus. Anschließend begann die äußere Inaugenscheinnahme der Leiche, deren Ergebnisse er laut und deutlich aussprach, für die Aufnahme, aber auch für das anwesende Publikum. Jacobson sah und hörte nur halbzu. Ihm war gerade etwas bewusst geworden, das ihn erschreckte: Er wusste nicht mehr zu sagen, wie oft er sich diesen Tort schon hatte antun müssen. Entgegen der konstanten hysterischen Panikmache in den Boulevardblättern war die Mordrate im Vereinigten Königreich während der letzten hundert Jahre weitgehend konstant geblieben. Das bedeutete für eine größere Stadt wie Crowby, dass man hier in einem schlechten Jahr mit einem halben Dutzend gewaltsamer Tode zu rechnen hatte. Oder in einem guten Jahr, ganz wie man es sah. Jacobson war zwar sicher kein Mord-Fan, aber er hatte die moralische Befriedigung wertzuschätzen gelernt, die sich bei jeder Überführung eines Mörders einstellte. Eine Menge Verbrechen wurden aus der Not geboren. Vorausgesetzt, es war zu keiner Gewaltanwendung oder unnötigem Schaden gekommen, empfand Jacobson mitunter größeres Mitleid mit den Tätern als mit den gut versicherten, selbstgerechten Opfern. Meist sperrte man die Unglücklichen, die Unfähigen und Unseligen ein, die nur als Einbrecher je in ein schönes Haus gelangen und nur über den Diebstahl einer Kreditkarte ihre Bonität beweisen konnten. Aber ein Mord war etwas anderes. Keiner außer Gott hatte das Recht, Leben zu nehmen. Und Gott, so sah es Jacobson, existierte entweder nicht oder verdiente einen gehörigen Tritt.
    Robinson kommentierte detailliert die aus Mund und Nase entfernten Ausscheidungen, verweilte bei jeder Prellung und jedem Kratzer und diskutierte ein weiteres Mal ohne klaren Schluss die Frage, ob die Abschürfungen an den Genitalien auf eine Vergewaltigung oder harten, einvernehmlichen Sex schließen ließen. Anschließend suchte er unter den Fingernägeln nach irgendwelchen Rückständen. Das gehörte zum Standard, selbst in Fernsehserienwie ›Inspector Morse‹ und ›Inspector Wexford‹, und doch hatte es Jacobson in seiner gesamten Karriere noch nicht einmal erlebt,

Weitere Kostenlose Bücher