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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dem anderen, dachte er.
Hör auf, solange du in Führung liegst.
    Jacobson und Kerr nahmen die Treppe hinauf ins Erdgeschoss. Jacobson riet Kerr, Feierabend zu machen. Was immer noch zu tun sei, er werde es allein schaffen. Er nahm den Aufzug in die Kantine und redete sich ein, dass gebackene Bohnen und ein Glas Orangensaft aus einer Portion Pommes frites mit schottischem Ei praktisch so etwas wie Gesundheitskost machten. Während des Essens rief ihn der Sergeant aus dem Wachraum an und verband ihn mit einer Anruferin von außerhalb. Abgesehen vom Aufwand der Spurensicherung draußen im Haus, rangierte der Fall Jenny Mortimer in der mittleren Kategorie, so dass keine eigene Hotline eingerichtet worden war. Alle Anrufe mit Hinweisen landeten im Wachraum, wo der Fall zunächst einmal mit Nachbarschaftsstreitigkeiten und geklauten Autoradios konkurrierte. Die Frau am anderen Ende sagte, sie heiße Sheila Hunter und sei eine Freundin von Jenny Mortimer gewesen. Sie habe gerade erst von dem Mord erfahren, aber schon immer geahnt, dass es einmal so kommen könne. Jacobson nahm ihre Personalien auf und sagte, er könne in einer Stunde bei ihr sein, vielleicht auch schon früher.
Könnten sie nicht einfach am Telefon reden?
Nein, das könnten sie nicht, erklärte er ihr, ausgeschlossen. Er beendete das Gespräch etwas abrupter, als es ihr gefallen mochte. Wahrscheinlich war sie echt, wahrscheinlich lohnte es sich, mit ihr zu sprechen, aberebenso gut konnte sie auch einer von Maddy Taylors Handlangern sein und auf einen ungeschützten Kommentar abzielen, das Aufnahmegerät gleich neben dem Telefon.
    Er brachte seinen Teller weg und trank den Orangensaft, den er sich bis zuletzt aufgespart hatte. Zurück in seinem Büro im fünften Stock erlaubte er sich ein kurzes, fünfzehnminütiges Nickerchen, ohne Jackett, die Füße auf dem Tisch. Seine Exfrau Janice hatte sich eine Zeitlang für Meditation interessiert. Ob es vor dem Joggen oder nach dem Makramee und der indischen Stickerei gewesen war, vermochte er nicht mehr zu sagen. Jedenfalls hatte sie ihn überredet, auch ein paar Stunden zu nehmen. Er war nie richtig in die Sache hineingekommen, trotzdem schaffte er es seitdem weit besser, bei Bedarf ein kurzes Schläfchen zu machen. Jetzt zum Beispiel. Jeder kann seine Art Segen daraus ziehen, hatte ihnen der alternde Hippie gesagt, der den Kurs leitete.
    Als er aufwachte, ging er mit seinem Rasierzeug zur Männertoilette, machte sich frisch und hielt das Gesicht gute drei Minuten unter das köstlich kühle Wasser. Zwanzig Minuten später hielt er vor der angegebenen Adresse, deutlich früher als angekündigt, um sechs Uhr zweiundvierzig, um genau zu sein. Sheila Hunter wohnte mitten in Wynarth, in einem behutsam renovierten Reihenhaus mit einem roten, vor der Tür dösenden Kater und einem wandgroßen Plakat mit mongolischen Tänzern in der Diele. Sie war eine große Frau in den Dreißigern. Älter, aber von der Erscheinung her ein wenig wie seine Tochter Sally. Sie unterhielten sich im Wohnzimmer. Sheila erzählte ihm, sie sei Aromatherapeutin, habe früher aber als Lehrerin an der Simon-de-Montfort-Schule gearbeitet, zur selben Zeit wie EricBrown und Jenny Mortimer. Jenny und sie hätten sich gut verstanden und deshalb den Kontakt nicht abbrechen lassen. Vor etwa einem Monat habe sie Jenny zuletzt gesehen. Jenny habe ihr von Kevin Holland erzählt, und dass sie plane, ihren Mann zu verlassen.
    »Na endlich, sagte ich. Sie hätte nie mit ihm zusammenziehen und ihn erst recht nicht heiraten dürfen.«
    »Warum hat sie es dann getan?«, fragte Jacobson.
    »Es war der Glamour, um es auf einen Nenner zu bringen. Eric und sie führten ein eher bescheidenes Leben. Ein kleines Haus in einer Seitenstraße, ein klappriger alter Wagen. Zwei magere Junglehrergehälter. Und Eric fing an, von Familie zu reden. Ich glaube, Jenny sah ihr Leben in einer Situation zum Stillstand kommen, in der sie nicht sein wollte. In Gus sah sie wohl so etwas wie einen Fahrschein zu ferneren Horizonten. Geld hatte er reichlich und sah zudem noch gut aus. Flog ständig hierhin und dorthin.«
    Der Kater hatte sein Schläfchen beendet, kam aus der Diele herein und schnüffelte an Jacobsons rechtem Schuh.
    »Aber Sie haben nie geglaubt, dass es mit den beiden funktionieren könnte?«
    »Er versuchte es bei mir gleich beim ersten Mal, als ich ihn traf. Ungefähr sechs Monate, bevor sie heirateten. Was nicht unbedingt Hoffnung macht für eine langfristige

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