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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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bedeuteten. Wie verletzlich sie waren. Wie leicht zu brechen. Und wie schwer es mitunter war, nach ihnen zu leben.
    »Gehen Sie nach Hause, John«, sagte er. »Oder besuchen Sie Caroline.«
    Als er aufstand, machte er mit dem Kopf eine Bewegung zu Maddy Taylor hin.
    »Und halten Sie sich von Hyänen fern.«
     
    Kerr bot Horton an, ihn auf dem Weg zurück ins Präsidium zu Hause abzusetzen, und nutzte die gemeinsame Fahrt, um sich über die Verbindung von Politik und Internet aufklären zu lassen. Er selbst wusste nicht viel mehr, als dass sich Extremisten da gleich in ihrem Element gefühlt hatten. Horton bestätigte dies detailreich: Das Netz war ein Geschenk des Himmels für alle, die nicht im großen Strom mitschwammen. Für die an den Rändern. Für Linksextreme, Rechtsextreme, Sekten und Kulte jeglicher Art. Unter den Unmengen von Nutzernfanden sich immer Gleichgesinnte, mit denen man sich austauschen, und potenzielle Konvertiten, die man bearbeiten konnte. Wer immer sich hinter der Aktion-& Widerstand-Website verbarg: Wenn er nicht auf andere Weise auffällig wurde, würde er seine Anonymität wahrscheinlich wahren können. Das Schlimmste aber war, dass jeder, der wollte, sich einen der »Feinde« auf der Liste vornehmen konnte: Das war er, der
dezentralisierte, führungslose Widerstand.
    Kerr ließ Horton vor seiner Tür aussteigen und fuhr weiter Richtung Zentrum. Jacobson hatte vorgeschlagen, sich vor der Besprechung noch kurz im »Brewer’s Rest« zu treffen, aber der Umweg zu Horton hatte länger gedauert als geplant, und die Besprechung fing gleich an. Kerr nahm den Aufzug, um schneller zu sein. Sergeant Ince hatte ihnen einen der Besprechungsräume im dritten Stock gebucht, die wochentags den höheren Etagen vorbehalten waren, um so wichtige Themen wie etwa die Verlängerung des Wäschereivertrages zu diskutieren. An den Wochenenden ruhten sie, die oberen Etagen, genau wie die Besprechungsräume.
    Emma Smith und DC Williams erstatteten als Erste Bericht. Sie hatten ein paar Aussagen von Planet-Avionics-Angestellten, die Gus Mortimer als gemäßigten Sexprotz erscheinen ließen. Aber keine der betroffenen Frauen hatte das Gefühl gehabt, nicht damit umgehen zu können. Zwei oder drei waren mit Mortimers Anzüglichkeiten sogar eindeutig glücklich gewesen.
    »Klingt fast wie so’ne Art Fanclub«, sagte DC Williams.
    Laut Bill Dyson, dem Firmenanwalt, war Mortimer ein altmodischer, autokratischer Entscheider. Was er sagte, waren Befehle, keine Vorschläge, und ein Nein ließ erals Antwort nicht gelten. Dennoch schien er nicht unbeliebter zu sein als der normale Durchschnittschef.
Er behandelt einen immer geradeheraus, man weiß immer, woran man mit ihm ist,
war ein typischer Kommentar. Bob Hicks, der Lagerleiter, der die Mortimers am Freitagabend chauffiert hatte, schien völlig fassungslos, was Mortimers Verhalten in Boden Hall anging:
Bis Freitag ist er mir immer wie ein anständiger Kerl vorgekommen.
Das sei bei Mördern oft so, sagte Jacobson. Bei Männern, die ihre Frauen schlügen, ebenfalls: Er selbst hatte einmal für einen DCI gearbeitet, der in der Truppe äußerst beliebt gewesen war, bis seine Frau sich von ihm scheiden ließ, nachdem sie jahrelang geistig wie körperlich von ihm misshandelt worden war.
    Mick Hume und Dave Barber schienen gegen die gleiche Betonwand gerannt zu sein wie tags zuvor. Mortimers Nachbarn kannten die beiden entweder nicht oder fanden sie absolut normal und wenig bemerkenswert. Jacobson dankte den beiden dennoch für ihre Bemühungen. Es war wie ein
Déjà-vu.
Wieder gab es keine frischen Spuren, denen sie hätten folgen können. Wer wollte, konnte sich mit ein paar Überstunden in die Operation Johnson einbringen, ansonsten war es das für heute, und man sah sich morgen früh wieder.
    Kerr sagte nichts, bis die anderen draußen waren.
    »Was ist mit den Hass-Mails, Frank?«, fragte er.
    Jacobson gab sich betont nachdenklich.
    »Was soll damit sein, alter Junge? Überlegen wir mal: Ein irrer Terrorist verschafft sich Zutritt zum Haus, ohne einzubrechen. Dann verwechselt er eine attraktive blonde Frau mit einem Hünen von über einsachtzig, greift sie an, vergewaltigt sie und bringt sie um, ohne dass der liebe Ehemann etwas davon mitkriegt.«
    Wenn man es
so
sehen will, dachte Kerr.
    »Ich frage mich nur, warum er wegen der Mails nie Anzeige erstattet hat. Das ist alles.«
    Jacobson stand auf und ging zur Tür.
    »Wahrscheinlich hat er sie nicht ernst genommen und

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