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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Auffangbehälter des Getränkeautomaten der MIU schwappte. Extra stark, extra weiß, extra süß. Er brauchte von allem reichlich. Irgendwo hatte er gelesen, dass Schlafentzug ein wirksameres Befragungsinstrument als Folter sein konnte. Am Ende erzählte dir der Befragte, was immer du hören wolltest, sagte, was immer er sagen sollte – nur, um den Kopf hinlegen, die Augen schließen und schlafen zu können. Nach einem Wochenende wie diesem hegte er daran keinen Zweifel. Nach zehn Tagen Spätschicht hätte er von Samstag bis Dienstagmorgen freihaben sollen, aber es war nun mal so, dass er die Überstunden brauchte, und zwar dringend. Seine Verlobte Becky hatte sich in eine Fünf-Zimmer-Doppelhaushälfte mit Garten vernarrt. Was für einen Sinn hatte es denn, etwas Kleineres zu nehmen, wenn sie gleich wieder ausziehen mussten, sobald sie anfingen, Babys zu machen? Na, super: Aber irgendwoher musste das Geld schließlich kommen, wenn sie das Haus wollten, ohne auf die geplante Hochzeitsreise nach Thailand zu verzichten. Deshalb hatte er gestern eine volle zusätzliche Schicht eingelegt und sich auch am Nachmittag eingefunden, als es zum Aufruhr vor dem Präsidium gekommen war. Er nahm den Becher aus der Maschine, Kaffee lief ihm über die Hand. Gott sei Dank war er nicht heiß. Danach hätte er sofort ins Bett gehört, aber weil er schon mal da war, hatte er gedacht,dass er eigentlich gleich noch eine Nachtwache hier draußen hinterherschieben könnte. Einfacher ging es nicht: Ein Constable hatte ein Auge auf das Gelände, der andere saß bequem im Container. Alle zwei Stunden löste man sich ab. Und im Container konnte man ruhig mal den Kopf auf die Brust sinken lassen, solange man das Walkie-Talkie in Griffnähe hatte.
    Er nahm einen Schluck Kaffee. Das Zeugs schmeckte nach nichts als Zucker, was wahrscheinlich gut so war, denn ohne war es ungenießbar. Er stellte den Becher auf den Tisch und gähnte. Bei seinem ersten Gang über das Gelände hatte er eine hübsche kleine Bauhütte hinten im Garten entdeckt. Sie war nicht abgeschlossen, und drinnen gab es nichts von größerem Wert. Spaten, Schaufeln, Harken, einen Schlauch, und in der Ecke stand ein alter Holzstuhl. Wenn er wieder mit dem Patrouillieren dran war, dachte er verschlafen, würde ihn verdammt noch mal nichts davon abhalten, dort mal kurz die Augen zuzumachen.
     
    Alan Slingsby war längst nach Hause gegangen. Gus Mortimer war alleine. Der Wachhabende hatte ihm vor einer Stunde eine Tasse Tee gebracht und ihm erzählt, er habe Glück, dass sie ihm nicht einen der Halbstarken aus Woodlands mit in die Zelle gesetzt hätten. Mortimer lag auf der schmalen, unbequemen Bank, als er draußen zwei Personen näher kommen hörte. Dann sah jemand durch das Guckloch in der Tür, das sie hier Fenster nannten.
    Jacobson hatte einen Abstecher zum Wellington Drive gemacht, geduscht, sich umgezogen, sein chinesisches Fensterblatt gegossen, etwas gelesen und – erfolglos – versucht, seine Tochter anzurufen. Vor langer Zeit schonhatte er erkannt, wie effektiv es sein konnte, einen Verdächtigen warten und schwitzen zu lassen. Er sah auf die Uhr: halb zwölf. Der Wachhabende schloss die Tür auf. Jacobson trat in die Zelle.
    »Sie müssen nicht aufstehen, Gus«, sagte er. »Es besteht kein Grund zur Eile. Bleiben Sie ruhig, wo Sie sind.«
    Mortimer erhob sich trotzdem, reckte die Schultern und schob die Hände unter die Schenkel. Jacobson hüstelte. Mehr wie auf einer Bühne konnte man sich in seinem Job nicht fühlen. Er räusperte sich noch mal, schließlich wollte er seinen Text nicht durcheinanderbringen.
    »Angus Anthony Mortimer. Ich verhafte Sie wegen Mordes an Mrs Jennifer Mortimer. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern, aber es kann von Nachteil für Ihre Verteidigung sein, wenn Sie jetzt etwas verschweigen, was Sie später vor Gericht aussagen.«

15
    Montagmorgen. Jacobson und Kerr standen neben den Containern vor Mortimers Haus und sahen zu, wie sich das Durchsuchungsteam organisierte. Jacobson trug seinen leichten Leinenanzug und ein weißes Hemd. Seine Tochter war mit ihm Anfang des Sommers bei einem ihrer unerwarteten Besuche zu Next gegangen und hatte ihm beim Aussuchen geholfen. Wenigstens sah das Ding noch aus wie ein Anzug. Die meisten Detectives liefen bei diesem Temperaturen in kurzärmeligen Hemden oder T-Shirts herum, wie Touristen auf dem Weg zum Strand von Waikiki. Selbst Kerr hatte seine gewohnte Lederjacke zu Hause gelassen und sich

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