Reich und tot
obendrein gedacht, wir würden es auch nicht. Wenn Sie und Horton dem als technische Übung weiter nachgehen wollen, haben Sie meinen Segen. Aber warten wir damit, bis wir Mortimer wegen des Mordes am Kragen haben, okay?«
Kerr nickte. Klar. Kein Problem. Deshalb gefiel es ihm, mit Jacobson zusammenzuarbeiten: Der DCI war der erste Boss in seiner Laufbahn, der ihm an Intelligenz in nichts nachstand.
Wieder derselbe Vernehmungsraum. Dieselben Plastikstühle, derselbe pockennarbige Tisch. Mortimer saß neben Slingsby und trank abgestandenen Tee aus einem Plastikbecher: ein Fahrgast, der im Warteraum eines Bahnhofs gestrandet war. Slingsby erklärte ihm, die Polizei habe den Gewahrsam auf die vollen sechsunddreißig Stunden ausgeweitet. Sie hatten Zeit bis Viertel vor zwölf, kurz vor Mitternacht. Dann mussten sie entweder formal Anklage erheben oder ihn gehen lassen.
»Sie haben Ihre Aussage gemacht, Gus. Das Beste ist jetzt, dabei zu bleiben. Ich gehe davon aus, dass sie heute nicht mehr vorzuweisen haben als gestern.«
Der Wachhabende rasselte an der Tür und ließ Jacobson und Kerr herein. Die beiden setzten sich ihnen gegenüber, und Jacobson ging eine Zusammenfassung von Mortimers Aussage durch.
»Ist das nach wie vor Ihre Darstellung der Dinge, Gus? Oder gibt es noch etwas anderes, was Sie uns erzählenwollen, nachdem Sie Gelegenheit hatten, darüber nachzudenken?«
Mortimer stellte den Plastikbecher auf den Tisch und sagte nichts.
»Mein Mandant hat seiner Aussage nichts hinzuzufügen. Wann gedenken Sie, diese Farce zu beenden und ihn gehen zu lassen?«, fragte Slingsby.
Jacobson schenkte ihm keine Beachtung.
»Wo haben Sie den Elektroschockknüppel versteckt, mit dem Sie Ihre Frau gequält haben, Gus?«
Mortimer blieb stumm.
»Was?«, sagte Slingsby.
Jacobson berichtete von Robinsons Entdeckung der Foltermale und von Mortimers Verurteilung. Slingsby erholte sich schnell und zeigte, warum er sein Geld wert war.
»Es gibt also bis jetzt keinerlei Hinweise auf diese angebliche Waffe? Nur die Einschätzung eines eindeutig unerfahrenen Pathologen, der annimmt, dass sie existiert?«
Jetzt war Jacobson derjenige, der nichts sagte.
»Wo ist der Knüppel, Gus?«, fragte Kerr.
Mortimer starrte zur Decke. Ein Tourist in der Sixtinischen Kapelle.
»Nur damit konnten Sie Ihre Frau zum Schreien bringen, was?«
Ein wirklich andächtiger, stiller Bewunderer Michelangelos.
Jacobson stützte sich einen Moment lang mit den Ellbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die Hände. Dann lehnte er sich zurück und verschränkte die Finger im Nacken.
»Über die Jahre habe ich wirklichen Abschaum auf demStuhl sitzen sehen, auf dem Sie da sitzen, Gus. Aber Sie stellen die Schlimmsten davon noch in den Schatten. Fürs Protokoll: Mr Mortimer scheint nichts zu seiner früheren Verwicklung in die illegale Ausfuhr von Folterwerkzeugen zu sagen zu haben. Auch nicht über die Folter und anschließende Ermordung seiner Frau. Bei einem Prozess können die Geschworenen daraus, wie Mr Slingsby sehr gut weiß, ihre eigenen Schlüsse ziehen . . .«
Mortimer ließ die rechte Hand auf den Tisch niederfahren.
»Okay, okay. Wir haben also bei Centro Tech ein paar Vorschriften umgangen. Ja und, verdammt noch mal? Wenn sie die Dinger nicht von hier bekommen, liefert sie ihnen ein anderer. Hilft das irgendwem? In den Staaten sind sie völlig
legal.
Elektroschockpistolen, Taser, Knüppel, was Sie wollen. So was können Sie da im Versandhandel für neunzig Dollar das Stück kaufen, und wahrscheinlich gibt es gratis noch ein T-Shirt dazu.«
Da drüben grillen sie Mörder auch ganz gerne, dachte Jacobson.
»Heißt das, Sie haben ein paar Ansichtsexemplare für sich behalten, Gus?«
Kurz huschte Mortimers Echsenlächeln über sein Gesicht.
»Ich bin doch kein Vollidiot. Nichts dergleichen habe ich getan. Nach dem Prozess haben wir unsere Bestände in vollem Umfang an die Regierung Ihrer Majestät verloren. Ich nehme an, darüber gibt es Unterlagen.«
»Was ist mit den Wundmalen auf dem Körper Ihrer Frau?«, fragte Kerr.
»
Sie
sind der Polizist. Sagen
Sie’s
mir. Mr Slingsby hier scheint zu meinen, dass sich Ihr Pathologe sowieso täuscht.«
»Sie haben sie also nur vergewaltigt und erwürgt. Ohne sie auch noch zusätzlich zu foltern.«
Aber Mortimer hatte bereits wieder tief durchgeatmet und war zurück bei Michelangelo. Jacobson wartete noch eine Minute, bevor er den Knopf für den Wachhabenden drückte. Ein Schritt nach
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