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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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makellos und leicht unwirklich.
    Der »Palace of Varieties« hatte alles Erdenkliche getan, um sich immer wieder neu zu erfinden – als Kino, Bingo-Halle, Nachtclub   –, bevor er endgültig seinen Geist aushauchte. Damals, in den 1960ern, war Jimi Hendrix auf seiner allerersten Tournee durchs Land im »Palace« aufgetreten und die Sensation schlechthin gewesen. Nach Lulu, was heute fast unglaublich war, und einer so gut wie vergessenen Band namens Amen Corner. Jacobson hatte den Gott des Rock verpasst, weil er an dem Abend mit Janice ins »Odeon« gegangen war, um den neuen James Bond anzusehen. Manchmal hatte er das Gefühl, die 1960er komplett verpasst zu haben. Und die 1970er wahrscheinlich auch. 1990 dann hatten sie den Bau endlich abgerissen, und der frei gewordene Platz diente lange als Parkplatz, bis sie schließlich den Millennium-Apartment-Komplex darauf errichteten,der seine Tore in der ersten Woche des neuen Jahrtausends eröffnet hatte. Projekte wie der Millennium-Komplex waren groß in Mode. Hochwertige Stadthauswohnungen, mit denen die Erfolgreichen das Zentrum für sich zurückgewannen. Mackeson, der Immobilienspekulant, mit dem Janice durchgebrannt war, plante etwas Ähnliches drüben in der alten Hutfabrik.
    Jacobson durchquerte das Zwischengeschoss und nahm den funkelnden Aufzug hinauf ins oberste Geschoss. Christine Salter selbst öffnete ihm die Tür und bat ihn herein. Zuerst dachte er mit hämischer Freude, dass niemand zu Schleimer-Gregs Party gekommen war: In den hellen, makellosen Räumlichkeiten wirkten sogar noch die Möbel einsam.
    »Sie sind alle auf der Dachterrasse. Folgen Sie mir«, sagte Mrs Salter und lächelte wie ein etwas zu fest ausgestopfter Falke. »Frank, richtig?«
    Sie war eine beeindruckende Person. Wenn sie ein paar Pfunde mehr gehabt hätte, wären die Salters das lebende Pendant der Paare auf den alten McGill-Postkarten gewesen: Greg mit einer Flasche braunem Ale und Christine –
Chrissie
– mit dem Nudelholz. Über eine gefährlich blankpolierte hölzerne Wendeltreppe ging es hinauf aufs Dach, wo sich Jacobson unangenehm zwischen einigen Assistant Chiefs und dem Superintendent der Verkehrspolizei eingeklemmt sah. Er war hier wahrscheinlich der Rangniedrigste und hätte sich geschmeichelt fühlen sollen, eingeladen worden zu sein, statt Salters Karte so verächtlich in den Papierkorb zu werfen. Aber er war Polizist und kein schulterklopfender Firmenheini, und selbst wenn der Veuve de Vernay perfekt gekühlt war, war das hier immer noch Crowby und nicht Covent Garden oder gar die Park Avenue.
    Er entdeckte Chivers in Grillnähe und befreite sich in dessen Richtung. Zum Glück war Salter nicht bei ihm, der schleimte sich gerade bei Dud Benthams Frau ein. So wie Jacobson es sah, hatten sie zwei Möglichkeiten: Sie konnten Mortimer heute Nacht noch offiziell anklagen oder ihn herauslassen und auf die DN A-Analyse warten. Für Chivers würde der P R-Faktor das Wichtigste sein. Vielleicht noch wichtiger als sonst. Nach dem heutigen Aufruhr vor dem Präsidium sähe eine weitere Pleite in der allerletzten Woche seines Arbeitslebens nach Nachlässigkeit aus. Als sich Jacobson ihm näherte, wedelte Chivers gerade eine angeschwärzte, auf einem Stock steckende Wurst durch die Luft, um sie abzukühlen.
    »Wenn wir ihn anklagen und die DNA nicht passt, Frank, werden sie uns mit XX L-Eiern bewerfen«, sagte er. »Und Slingsby redet womöglich von unrechtmäßiger Festnahme.«
    Lass Slingsby doch reden, dachte Jacobson. Und laut sagte er: »Allerdings würde eine Verhaftung dem Unsinn in der Presse ein Ende setzen, dem ganzen Quatsch, dass Robert Johnson womöglich mit dem Mord zu tun hat.«
    Chivers biss vorsichtig in seine Wurst. Außer Dienst und in Sommerkleidung sah er nicht unbedingt aus wie der Chief of Detectives. Mit altmodischen Ledersandalen, in Shorts und einem kurzärmeligen blauweißen Matrosenhemd, das hier oben auf dieser Dachterrasse, Hunderte von Kilometern vom Meer entfernt, etwas lächerlich wirkte. Jacobson trank sein Glas Brause aus und wartete auf das Verdikt des großen Mannes. Chivers wischte sich mit dem Handrücken über die Unterlippe, bevor er sprach.
    »Das ist gut gedacht, Frank. Stehen wir also zu unserer Überzeugung, okay?«
    Das Bild in der Öffentlichkeit. Wie man mit der Hierarchie spielt und gewinnt.
     
    PC Ogden sah zu, wie die braune Flüssigkeit in den Plastikbecher lief, ihn bis zum Rand füllte und dann über die Seiten in den

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