Reich und tot
schon den zweiten Tag eine schwarze Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen. Mit dem Ding wirkte er wie ein aussichtsloser Politiker, der sich verzweifelt volksnah geben wollte. Jacobson wusste, dass er selbst nie so salopp zum Dienst kommen könnte, und es verlangte ihn auch nicht danach. Ein Detective sollte einen Anzug tragen. Ende der Diskussion.
Die Beamten schwärmten links und rechts des Hauses aus. Die Nebengebäude und der Garten würden zuerst durchsucht werden, solange die Luft noch kühl war und die Sonne nicht so hoch stand. Danach kam das Haus noch einmal an die Reihe. Sie hatten etwa fünfzig Uniformiertezusammenbekommen und sie mit dem alten Polizeibus hergekarrt. Und wenn sich hier bei Mortimer nichts fand, ging es hinüber zu Planet Avionics. Mick Hume, DC Barber und Sergeant Ince waren bereits da, um aufzupassen, dass bis dahin nichts weggeschafft, vernichtet oder versteckt wurde.
Jacobson rief Emma Smith im Einsatzraum an. Smith und Williams glichen die Aussagen und alles bisher im Rahmen der Ermittlungen gesammelte Material gegeneinander ab. Jacobson hatte die beiden gebeten, nach den Ergebnissen der DN A-Analyse zu fragen und dem Labor notfalls Dampf zu machen.
»Irgendwas Neues, Mädchen?«
»Sie haben versprochen, uns bis zwölf was zu faxen, Chef. Wenn es geht, auch schon früher.«
Er bat sie, ihn gleich zu verständigen. Die DN A-Tests wurden mittlerweile von einem kommerziellen forensischen Labor in Birmingham durchgeführt.
Schneller geht’s nicht!,
hatte Kerr als Werbespruch für das Labor vorgeschlagen.
Mit Geld-zurück-Garantie.
Das Erstaunliche: Trotz aller leistungsbezogenen Sonderzahlungen waren die Kommerziellen keinen Deut schneller als das alte Labor des Innenministeriums.
Jacobson steckte das Handy zurück in die Tasche. Es war vertrackt. Mortimers Auftritt vor Gericht, der auf elf Uhr angesetzt war, würde wohl schon vorbei sein, bevor sie sicher sagen konnten, ob er seine Frau vor dem Mord vergewaltigt oder doch wenigstens äußerst grob Verkehr mit ihr gehabt hatte. Dabei ging es gar nicht so sehr um das Gewicht der Anklage, schließlich konnte die Polizei einem erst mal alles Mögliche vorwerfen, und die Staatsanwaltschaft entschied dann, ob sich die Anklage beweisen ließ und den Prozess lohnte. Es ging vielmehrum das leidige Thema der Kaution. Denn Jacobsons Erfahrung nach führte die Andeutung, dass die Polizei wasserdichte Beweise habe, fast automatisch zur Ablehnung einer Freilassung auf Kaution. Und umgekehrt.
Robert Johnson trank eine Tasse Tee und betrachtete den Picasso-Druck an der Wand. Der Frau darauf waren die Einzelteile völlig durcheinandergeraten. Die Nase hier, die Titten da. Der Kerl hatte Millionen mit seinen Bildern verdient und offenbar noch auf dem Totenbett gevögelt. Vielleicht hatte einfach nur nie einer nachgesehen, was unter dem ungelöschten Kalk in seinem Keller versteckt war. Die Sekretärin am Empfang war die gewohnte Bewährungsamtszicke. Bestimmt stellten sie mit Absicht die hässlichsten alten Krähen ein, weil sie Angst hatten, irgend so ein Wahnsinniger könnte sonst versuchen, eine zu bespringen. Jetzt öffnete sich die Tür zur Linken.
Kommen Sie herein, Mr Johnson.
Er ließ den Tee unausgetrunken stehen – das war sowieso die reinste Katzenpisse – und trat ein. Marshall, der dämliche, zuppelbärtige Obermax, der ihn in das Heim eingebucht hatte, nahm sich seines Falles persönlich an. Wie schmeichelhaft. Bis auf Weiteres hatte Johnson hier sechsmal die Woche um Punkt halb zehn anzutreten. Sonst ging es auf direktem Weg zurück in die Klapse.
»Haben Sie sich schon eingewöhnt?«
Johnson setzte sich und nickte. An der Wand hinter Marshalls Schreibtisch hing noch ein Picasso. Der berühmte. ›Guernica‹.
Marshall bot ihm eine Zigarette an.
Nein, danke.
Ohne sich selbst eine zu nehmen, steckte Marshall die Schachtel wieder weg. Wie nannten sie diese Techniknoch? »Spiegeln«. Das war es. Wenn der Kunde raucht, rauchst du auch. Wenn er die Beine übereinanderschlägt und die Arme reckt, schlägst auch du die Beine übereinander und reckst die Arme. Der gewohnte durchgeknallte Quatsch.
»Ich nehme an, Sie haben die Artikel in der Presse gesehen?«
Johnson nickte wieder.
»Keine ... ähm, Anpassungsprobleme im Heim?«
»Nee. Ich bleib ja für mich, halte mich zurück. Immer hübsch unauffällig.«
Sag nur das Nötigste und spiel ansonsten die Dumpfbacke, für die sie dich halten.
»Ich hab da ein paar
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