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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Jobmöglichkeiten für Sie aufgelistet, Robert, äh, Robbie.«
    Der richtige Vorname. Gut gemacht. Da haben wir doch tatsächlich die Unterlagen gelesen.
Er legte die Hände in den Nacken, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete, wie Marshall das Gleiche tat.
    »Aber ich denke, unter den gegebenen Umständen werden wir den Gedanken eine Woche zurückstellen müssen. Bis die Zeitungen das Interesse verlieren, es ist sonst zu riskant. Die Frage ist, was Sie bis dahin den lieben langen Tag über tun wollen?«
    »Da gibt’s immer noch die Bibliothek, Mr Marshall. Ich hab drüber nachgedacht, ob ich mich an der Open University einschreiben soll. Vielleicht erkennen die mir ja mein Jahr in Derby an.«
    Als würde ich mich in einem deiner beschissenen MacJobs fertigmachen lassen. Wenn ich genauso gut Blondie beäugen und ein bisschen besser kennenlernen kann.
    Johnson verließ das Gebäude auf demselben Weg, auf dem er gekommen war: durch den Hintereingang unddie Anliefergasse neben »Morricones Trattoria«. Es zahle sich aus, mit den Medien vorsichtig zu sein, hatte Marshall gesagt, als er ihm seinen Aufenthalt in Crowby organisiert hatte. Auf der anderen Seite der Straße las ein abgerissen aussehender Alter die Kleinanzeigen im Fenster eines Zeitungsladens. Der Kerl hatte gestern schon vor der Bibliothek herumgehangen, und er schien in der Gegend der Mill Street zu wohnen. Wenn das nicht mein Bulle ist, dachte Johnson, ist Miyamoto Musashi kein wirklicher Krieger.
     
    Kevin Holland, Chris Parr und Wendy Pelham saßen um den Küchentisch. Parr hatte eine Kanne Tee gekocht und Wendy Rührei gemacht, das sie auf Toast verteilte. Kevin aß, was vor ihn hingestellt wurde, ohne wirklich zu merken, was es war. Er hatte seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr in den Magen bekommen. Normalerweise trank er kaum Alkohol, aber gestern Abend, zusammen mit Parr, war es wieder spät geworden. Seit Samstag hatten die beiden gemeinsam fast drei Liter Bell’s vernichtet.
    »Ich hätte da sein sollen«, sagte Holland zum tausendsten Mal.
    Der Satz war zu seinem Mantra geworden. Zwischen den Erinnerungen an sie, Jenny, und an ihre gemeinsamen Hoffnungen, Pläne und Träume kam er immer wieder:
Ich hätte da sein sollen. Ich hätte es sehen müssen. Wenn doch nur.
    »Himmel, Kevin«, sagte Parr mit wässrigem Blick und schlürfte seine zweite Tasse Tee. »Niemand konnte das voraussehen. Keiner von uns hat es kommen sehen.«
    Wendy Pelham legte noch eine Scheibe Toast auf Hollands Teller.
    »Chris hat recht, Kevin. Hör auf, dir die Schuld zu geben. Jenny hätte nicht gewollt, dass du . . .«
    Sie ließ den klischeehaften Satz unvollendet in der Luft hängen. Als schämte sie sich ihrer Worte, die so banal waren, so völlig nutzlos und unangemessen. Sie nahm einen neuen Anlauf: »Wenigstens wirst du sie heute sehen können.«
    »Ich komme mit, wenn du möchtest«, sagte Parr. »Ich bin nicht in der Stimmung für den Laden.«
    »Danke, Chris«, murmelte Holland.
    Die Pathologie hatte die Leiche am Abend zuvor dem Bestatter übergeben. Jenny würde in ihrem Sarg liegen, die Augen geschlossen, das Haar gekämmt, das Gesicht auf schreckliche Weise wiederhergestellt. Er wusste, dass er sie sich lebendig vorstellen sollte. Lächelnd, wie sie ihn zu sich einlud. Aber vor seinem inneren Auge sah er immer nur den geschundenen, verdrehten Leib, den er die paar Sekunden angestarrt hatte, bevor die Polizisten ihn von ihrer Leiche wegzerrten.
     
    Nichts Neues in der Residenz der Mortimers. Weder drinnen noch draußen. Jacobson beschloss, dass Hume und Barber die Durchsuchung bei Planet Avionics auch ohne seine Hilfe hinbekämen. Er ließ sich von Kerr zurück nach Crowby mitnehmen und beim Amtsgericht absetzen. Mortimers eigentlicher Prozess würde vor einem Bezirksgericht stattfinden, und das nicht unbedingt in Crowby. Womöglich argumentierte die Verteidigung, die Chancen für einen fairen Prozess stünden anderswo besser, in Coventry oder Leicester. Aber dafür musste der Fall erst einmal so weit kommen, und die Nullen von der Staatsanwaltschaft durften ihre Unterlagen nicht irgendwo in einer Kneipe oder hinten in einem Taxi vergessen. Dochheute reichte erst einmal das Amtsgericht. Jacobson kämpfte sich durch einen wahren Menschenstrom, der Richtung Ausgang drängte, die Treppe hinauf. Er nahm an, dass der Andrang etwas mit dem Aufruhr vom Sonntag zu tun hatte, aber wie sich herausstellte, waren die Unruhestifter schon durch.

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