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Reich und tot

Reich und tot

Titel: Reich und tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Tatsächlich hatte Alan Slingsby eine Anhörung für Mortimer erwirkt, weil der Anwalt der Polizei es verpasst hatte, Einspruch zu erheben, und gerade in diesem Moment hatte sich der Richter Holmes gezwungen gesehen, die Öffentlichkeit auszuschließen. Jacobson zeigte einem gestressten Türwächter seinen Ausweis und setzte sich auf eine der leeren Zuschauerbänke.
    Der Protokollführer las die Mordanklage vor. Er tat das mit einer so tonlosen, abgehackten Stimme, dass selbst noch die Wasserstandsmeldungen einen besseren Vorleser verdient hätten. Mortimer saß mit entschlossener Miene auf der Anklagebank und wurde gefragt, ob er sich schuldig bekenne.
    »Nicht schuldig. Ich bin ein unschuldiger Mann. Ich . . .«
    Holmes sah müde von seinem Platz zu ihm hinunter.
    »Ein einfaches ›Nicht schuldig‹ reicht völlig aus.«
    Jacobson sah unauffällig auf seinen Pager. Immer noch nichts über die DNA.   Immer noch nichts über den Elektroschockknüppel. Wie erwartet, drängte Alan Slingsby auf Freilassung auf Kaution. Holmes fragte, ob die Polizei Einwände habe.
Jawohl, einige, Euer Ehren,
sagte der Polizeianwalt und zählte sie auf. Er war unerfahren und kaum zu verstehen. Vielleicht hatten sie mitten im August so schnell keinen besseren finden können. Gut, dass Jacobson wusste, worum es ging, denn er verstand nur etwa jedes zehnte Wort. Worauf der Anwalt, kurz gesagt, hinauswollte, war, dass Mord eine ernste Sachesei, die allerstrengste Konsequenzen nach sich zöge – Konsequenzen, denen sich verständlicherweise jeder, der einen Mord begangen hatte, würde entziehen wollen. Mr Mortimer sei überdies ein wohlhabender Mann, mit Besitz und Verbindungen auch außerhalb des Landes.
    Alan Slingsby wartete, bis sich sein Gegner gesetzt hatte, und stieg dann mit aller Seelenruhe in den Ring. »Euer Ehren, mein Mandant wird nirgendwohin gehen. Er führt hier in Crowby wichtige Geschäfte. Viele Menschen in dieser Stadt, ganze Familien, hängen von diesen Geschäften ab. Was ihm vorgeworfen wird, ist ernst, ja, aber ernst sind auch die wirtschaftlichen, finanziellen Konsequenzen, wenn er für längere Zeit in Gewahrsam gehalten wird. Die Unschuldsannahme . . .«
    Holmes ließ ein geübtes, professionelles Hüsteln hören.
    »Vielen Dank, Mr Slingsby, ich denke, das Gericht versteht, worauf Sie hinauswollen. Lassen Sie uns auf dem Boden bleiben, wenn möglich.«
    Slingsbys wirkungsloser Widersacher murmelte etwas von Widerspruch, aber Jacobson bezweifelte, dass Holmes ihn diesmal überhaupt gehört hatte. Die Stimme des Anwalts versiegte, und Schweigen füllte den Raum, während der Richter nachdachte. Jacobson spielte mit der Manschette seines linken Ärmels. Wenn du aus der Bronx oder der Tochter der Bronx kamst, sperrten sie dich schon für einen einfachen Ladendiebstahl ein. Der flüsternde, vom Steuerzahler finanzierte Anwalt hatte es womöglich gerade verbockt, dass ein Mörder in Gewahrsam blieb, der alle Mittel hatte, sich seiner Verantwortung zu entziehen – ein Wirtschaftskapitän von der Sonnenseite des Lebens. Holmes kritzelte etwas auf einen Notizzettel und legte den Stift dann energisch aufdas Pult vor sich. Das Klacken hallte durch den ganzen Raum, fast so, als hätte er einen Richterhammer niederfahren lassen.
    »Die Kaution wird auf siebzigtausend Pfund festgesetzt. Der Pass wird eingezogen. Der Beklagte hat sich zweimal täglich bei der Polizei zu melden, die darüber befindet, wann dies zu geschehen hat. Guten Morgen, meine Herren.«
    Jacobson ging hinaus, während die Akteure ihre Unterlagen einsammelten und Mortimer zurück nach unten in eine der Zellen gebracht wurde. Jacobson wollte es unbedingt vermeiden, in der Halle einem triumphierenden Slingsby zu begegnen. Sein einziger Trost waren die strengen Kautionsauflagen. Das und die Tatsache, dass Mortimer nicht gleich aus dem Gebäude spazieren konnte. Davor standen noch etliche Sicherheitsvorkehrungen, die Zahlung der Kaution, der Papierkram. Ein paar Stunden, während derer er seine teuren Schuhe noch ruhig halten musste.
    Fünf Minuten, nachdem Jacobson in den Einsatzraum gekommen war, schoben sich die Ergebnisse der DN A-Analyse aus dem Faxgerät, gefolgt von einer Zusammenfassung, die einem zusammenhängenden englischen Text beeindruckend nahekam. Mit einer Wahrscheinlichkeit von zwölftausend zu eins standen die Chancen gut, dass die DNA des Samens, den man aus Jenny Mortimer herausgeholt hatte, mit der ihres Ehemanns übereinstimmte. Jacobson

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