Reich und tot
Unternehmer, ein Vorbild. Die Polizei braucht Männer wie ihn auf ihrer Seite, als Fürsprecher auf den Korridoren der Macht.«
Jacobson tat so, als dächte er über das Gesagte nach.
»Vielleicht könnte er ja ein paar neue Streifenwagen sponsern«, sagte er dann. »Cops R Us und Old Bill U Like.«
Das ist nicht einmal komisch, dachte er. Irgendwo im Südwesten war es schon Realität, in Devon, Somerset oder so. Und jetzt kam dieser Salter hier nach Crowby. Ein Modernisierer, ein Eiferer und nach allem, was Jacobson bisher erlebt hatte, auch noch ein inkompetenter Arschlecker: Solche Leute brachten es weit.
»Schon gut, schon gut«, sagte Chivers. »Aber dass wir uns richtig verstehen, ohne Zustimmung von mir ist Trayner ab sofort tabu, klar?«
»Sie schmeißen den Laden hier, Sir«, sagte Jacobson.
Vielleicht war das eine Antwort, vielleicht aber auch nur eine neutrale Feststellung.
Chivers bat um den letzten Stand der Dinge. Jacobson berichtete, was es zu berichten gab. Seine Leute seien im Moment noch mit der Routine beschäftigt – sie suchtennach Zeugen und überprüften Kevin Hollands Alibi. Und im Übrigen stünde das Ergebnis der Autopsie noch aus. Aber er habe auch eine Frage, eine ganz kurze: Robert Johnson?
»Alle Beamten sind informiert«, sagte Chivers, »das hat allererste Priorität. Dazu kommen die Leute vom CID, die an der Überwachung der einschlägigen Viertel beteiligt waren. Außerdem gehen seine Entlassungsfotos an alle Dienststellen im Land. Wir können davon ausgehen, dass er sich mehr oder weniger umgehend von der elektronischen Fessel befreit hat.«
Nicht, dass die Fessel in diesem Fall noch etwas helfen würde, dachte Jacobson. Sie verriet ihnen lediglich, ob er sich in der Nähe des Bewährungsheims aufhielt, und davon war wohl kaum auszugehen.
»Vielleicht ist er längst über alle Berge«, sagte Salter, »und fällt damit gar nicht mehr in unseren Zuständigkeitsbereich.«
Jacobson studierte Salters Gesicht. Immer noch gerötet , immer noch wütend über Jacobsons Sarkasmus.
Rede nur, Junge. Aber du liegst falsch. Nicht nur, was Johnson betrifft. Nicht nur, was die Polizeiarbeit betrifft. Nein, du liegst in allem falsch, in dem man nur falschliegen kann.
Als die Besprechung beendet war, ging er in die Kantine, nahm das
Chili con Carne
von der Tageskarte und bedauerte gleich, dass er statt des klebrigen, verkochten Reises nicht nach Pommes gefragt hatte. Anschließend fuhr er zum Bestattungsinstitut und kam gerade in dem Moment an, als sich ein Leichenzug Richtung Krematorium in Bewegung setzte. Die Haupttrauernden in ihren besten Sonntagssachen verteilten sich auf die wartenden schwarzen Limousinen. Alice Bowlby war eine kleine,lebhafte Frau, die wohl in einem Kaufhaus glücklicher gewesen wäre als hinter der düsteren Mahagoni-Empfangstheke eines Bestattungsinstituts. Sie hatte Tagesdienst, was hieß, dass sie am Abend die Füße hochlegen konnte. Sie arbeiteten in einer Art Schichtsystem: Auf einen Tag mit normaler Arbeitszeit folgte einer, an dem man erst am Nachmittag kam und abends länger blieb, die Anrufe der frisch Hinterbliebenen beantwortete und die Trauernden hereinließ, die noch etwas Zeit mit den Verblichenen verbringen wollten. Gestern war sie von zwei Uhr nachmittags bis zwölf Uhr nachts hier gewesen und hatte Kevin Holland kommen und gehen sehen.
»Um wie viel Uhr kam er?«, fragte Jacobson.
»Um halb drei. Daran erinnere ich mich genau. Ich hatte gerade mit einer Dame gesprochen, die aus dem Hospiz anrief, nachdem ihr Mann verstorben war. Wir notieren immer die genaue Zeit des ersten Anrufs, damit wir später unsere Reaktion nachvollziehen können.«
Das klang so, als sei es im Bestattungsgeschäft von größter Wichtigkeit, schnell zu sein.
»Allein?«
»Nein, er hatte einen Freund dabei. Einen älteren Herrn. Mit Zopf und ... einem leichten Bierbauch.«
Ihre Augen funkelten.
»Das andere, woran ich mich erinnere, war das Auto, muss ich sagen.«
Parr und Holland waren in Parrs neonfarbenem Krankenwagen gekommen. Parr sei bis etwa vier, Holland bis zehn nach neun im Institut geblieben. Da sei Parr ihn holen gekommen, und sie seien gemeinsam davongefahren.
»Das ist eine lange Zeit, um einen Sarg anzustarren«, sagte Jacobson.
»Sie würden sich wundern, Inspector«, antwortete Alice Bowlby. »Die meisten Leute bleiben nur etwa eine Stunde, das stimmt wohl, aber hin und wieder will auch jemand länger bleiben. Vor einer Woche etwa hatten wir
Weitere Kostenlose Bücher