Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)
alles verdient? Schluchzend schaue ich durch die große Balkontür und sehe, dass Tom seine Zigarette, die er sich anscheinend mitgenommen hat, schon halb aufgeraucht hat, weswegen ich hastig aufstehe und mir neue Klamotten anziehe, damit ich nicht weiter nackt sein muss. Mein Körper zittert immer noch unglaublich doll, sodass ich es gerade so schaffe mich anzuziehen, bis Tom wieder reinkommt. Mit gelüpfter Augenbraue mustert er mich kurz, ignoriert mich dann aber, legt sich aufs Bett und schaltet den Fernseher an. Ich weiß nicht was ich machen soll, hab jetzt viel zu viel Angst vor ihm, als dass ich mich einfach so neben ihn legen würde. Ich traue mich aber auch nicht, mich irgendwie durch den Raum zu bewegen. Schlotternd setze ich mich also auf den Boden und lehne mich gegen den großen Kleiderschrank, versuche meine Umgebung einfach auszuschalten und ein wenig runterzukommen. Barry, beruhig dich, verdammt! Aber mein Körper will nicht auf mich hören, lässt gegen meinen Willen noch immer Tränen laufen und zittert so sehr, dass der Schrank, gegen den ich lehne, ab und zu etwas klappert. Ich hab Angst, dass Tom das nervt und er wieder ausrastet, aber … aber ich weiß doch sonst nichts zu tun! Ich will nicht ins Bad gehen oder auf den Balkon oder so. Ich will nicht, dass er durchdreht und mich doch noch … „In einer Stunde gibt es Abendbrot, sieh zu, dass du bis dahin wieder lebendiger aussiehst!“, brummt Tom auf einmal und lässt mich erschrocken zusammenzucken, als ich seine Stimme vernehme. Hastig nicke ich und renne sofort ins Bad, immerhin hat er mir indirekt gerade die Erlaubnis dazu gegeben.
Als ich in den gefliesten Raum komme, schäle ich mich eilig aus den Sachen, die ich gerade erst angezogen hab, und gehe dann unter die Dusche, nachdem ich das Wasser auf eine angenehme Temperatur gestellt hab. Seufzend lasse ich mich auf den Boden gleiten und von dem Wasser berieseln. Es tut unheimlich gut, wie das warme Wasser auf mich prasselt. Meine Kopfschmerzen verschwinden langsam, mir ist allmählich nicht mehr so kalt und auch das Zittern verschwindet mit der Zeit. Erleichtert atme ich auf, bin froh mich endlich wieder etwas beruhigen zu können und bin auch fast schon erleichtert, als meine Tränen versiegt sind und nicht weiter über meine Wangen laufen. Ein paar Minuten bleibe ich noch gegen die Wand gelehnt, bis ich einsehe, dass ich nicht noch mehr Zeit verplempern sollte. Hastig wasche ich mich deswegen und trockne mich so schnell wie möglich ab, denn ruhig bin ich gewiss noch nicht. Ab und zu durchfahren mich noch Schauer und lassen mich kurz aufbeben. Aber ich reiße mich so gut es geht zusammen. Aufgeregt öffne ich die Badtür und bin dieses Mal froh, dass wir gleich runter gehen und nicht mehr alleine sind. Wie absurd das ist … Vorhin wollte ich nicht mit runter und jetzt bin ich froh, wenn ich unten bin. Es scheint fast lächerlich und dennoch ist es so. Gott, wie weit kann ich noch sinken? „Ja, so ist schon besser, viel besser! In fünf Minuten geht es los, hilf mir mal in der Zeit hier ein bisschen aufzuräumen!“, sagt Tom tonlos, als ich wieder ins Schlafzimmer komme. Zaghaft nicke ich und helfe ihm diverse Sachen wieder an ihren eigentlichen Standort zu bringen, die Tom runter geschmissen hat. Als wir fertig sind, nimmt er einfach meine Hand und geht ohne ein Lächeln, ohne einen Kuss, ohne etwas zu sagen, mit mir raus in die Galerie. Und wieder so eine Absurdität. Bis heute Nachmittag wollte ich, dass er mich so wenig anfasst wie möglich und jetzt wäre es mir lieber, dass er mich küssen würde, als dass er zu mir so kalt und abweisend ist, wie jetzt. Langsam und ruhig gehen wir die Treppe runter. Tom merkt, dass ich immer noch total aufgewühlt bin und er jetzt auch nur ein falsches Wort sagen müsste, damit ich sofort wieder losflenne. Und das ist sicher nicht in seinem Interesse, sodass er wohl lieber vorsichtig ist und mir Zeit lässt. Wie gnädig … Nach kurzer Zeit kommen wir auch schon im Speisesaal an, wo Toms Großeltern, seine Eltern und seine Angestellten schon auf uns warten. Stumm setzen wir uns auf unsere Plätze und ich traue mich kaum aufzuschauen, aber Tom gibt mir einen leichten Hieb mit dem Ellenbogen, sodass ich zusammenzucke, dann aber seinen stummen Befehl befolge und aufschaue. „Was war denn vorhin bei euch los?“, fragt auf einmal Toms Vater neugierig und schaut uns intensiv an. Unwillkürlich schlucke ich hart, schaue dann aber Rat suchend zu
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