Reiche dem Tod nie die Hand (German Edition)
Na ja, ich kann es schon verstehen. Also ich meine … Also ich wollte eigentlich auch gerne die Zeit vor der Hochzeit in Ruhe verbringen, immerhin sind wir aufgeregt genug und werden ein bisschen durch den Wind sein. Am Ende vergessen wir noch irgendwas oder es geht was schief, wenn wir ständig abgelenkt werden, oder so“, bringe ich eingeschüchtert über meine Lippen, bin aber keine Sekunde später nicht mehr so sicher, ob ich das hätte wirklich sagen sollen. Toms Eltern allerdings nicken zustimmend und sehen erwartend, aber auch bittend zu ihren Eltern rüber. „Ja, ist ja okay! Dann halt erst beim Standesamt!“, seufzt Toms Großvater auch gleich und schnaubt kurz wütend auf. Ich hoffe, ich hab mir jetzt nicht noch einen Stein im Brett bei ihm eingehandelt.
Da fällt mir gerade auf … Kurz räuspere ich mich, ehe ich dann wieder meinen Mund aufmache und zu Toms Großeltern rüber schaue. „Von wem sind Sie eigentlich die Eltern? Also … Na ja, normalerweise hat man ja zwei Großväter und zwei Großmütter“, frage ich interessiert und sehe sie unterstreichend an. Von Toms anderen Großeltern hab ich schließlich wirklich noch nie was gehört. Erstaunt schaut mich die Oma an und lächelt kurz. „Wir sind die Eltern von deiner Schwiegermutter!“, gibt sie bereitwillig zur Antwort und schaut dann auffordernd zu ihrem Schwiegersohn. „Meine Eltern sind vor fünf Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie waren auf der Autobahn unterwegs, als ein Geisterfahrer entgegen kam und mit voller Geschwindigkeit in ihr Auto gefahren ist!“, seufzt er traurig und wirkt direkt ein wenig bedrückt. „Das … tut mir leid!“, stottere ich und weiß gar nicht so recht was ich dazu sagen soll. Ich kenne ihn ja kaum, auch wenn ich ihn wirklich mag. Aber seine Eltern kannte ich ja auch nicht, von daher … „Erzähl mal ein bisschen was von dir, Barry! Du hast ja gesagt, dass du schon hier in Hamburg gewohnt hast. Und dass du einen Bruder hast, der 25 ist und in den USA wohnt. Ach genau, und du hast gesagt, dass du 20 Jahre alt bist, dein Abi vor Kurzem gemacht hast und zurzeit noch arbeitslos bist, weil du noch nichts gefunden hast. Erzähl mal noch ein bisschen mehr! Immerhin heiratest du morgen unseren Sohn und wir wissen kaum was über dich!“, fordert mich Toms Mutter auf einmal auf und lässt mich schwer schlucken. „Ja, was soll ich denn noch erzählen?“, frage ich schüchtern nach und hoffe keinen Fehler zu machen. Dass Tom gerade nicht da ist, erleichtert mich im Moment ein wenig, immerhin hab ich da auf eine Person weniger zu achten. „Hobbys, Freunde, Familie, Berufswunsch, etc.“, gibt Toms Opa trocken wider und rührt desinteressiert in seiner Tasse herum. Mist, ich glaube, bei ihm hab ich wirklich die wenig vorhandene Sympathie ganz verpuffen lassen. „Na ja, also ich zeichne gerne und höre gerne Musik. Ich singe auch gerne, allerdings nur unter der Dusche, muss sich ja nicht jeder mein Krächzen anhören!“, lache ich kurz auf, um die Stimmung ein wenig aufzulockern und trinke meine Tasse Kaffee aus. „Na ja, ansonsten … Ich habe Mutter und Vater, die auch verheiratet sind und eben meinen Bruder, der 25 Jahre alt ist und in den USA wohnt, besser gesagt in New York. Er wohnt dort schon seit zwei Jahren und studiert Medizin. Na ja und Freunde … Ja, die hab ich. Mehr weiß ich zu denen gar nicht zu sagen. Und was ich werden wollte oder will - Ich bin da nicht wirklich festgelegt, aber irgendwas Kreatives. Was mit Musik oder Zeichnen oder Design, oder so was.“ Abwartend schaue ich in die Runde, will sehen, ob noch Fragen offen stehen, aber alle vier nicken nur zustimmend. Kurz schaue ich noch auf meine leere Kaffeetasse, ehe ich mich erhebe und entschuldigend erst Toms Großeltern anschaue und dann Toms Eltern. „Entschuldigt mich, aber ich denke es wäre ganz gut, wenn ich jetzt doch zu Tom hochgehe und mal nach ihm schaue. Wir sehen uns dann heute Abend zum Abendessen, okay?“, erkläre ich mein Anliegen und warte dieses Mal gar nicht erst auf Antworten, sondern drehe mich einfach um und mache mich auf den Weg nach oben. Ich hab ein ungutes Gefühl und will jetzt lieber sehen, was mit Tom ist.
Unruhig gehe ich die Treppen rauf, höre schon auf halber Höhe ein lautes Poltern, was mich jetzt doch etwas nervöser macht als erwartet. Einen Moment warte ich noch, hole tief Luft, weil ich keine Ahnung hab, was mich gleich erwartet, ehe ich die Türklinke nach unten drücke
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