Reid 2 Die ungehorsame Braut
können. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass dem doch so sein sollte, dachte ich, es wäre ein guter Zeitpunkt, die Bekanntschaft von Rafes Familie zu machen. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich sichergehen, dass Sie nicht so verdrießlich sind wie er.«
Allem Anschein nach hatte der Herzog die Bemerkung nicht in den falschen Hals bekommen. Sonst hätte er wohl kaum losgelacht.
Kapitel achtundvierzig
D ie Ruhe vor dem Sturm trieb Raphael in den Wahnsinn. Er hätte darauf gewettet, dass seine »Gemahlin« etwas Haarsträubendes im Schilde führte, um ihn aus der Reserve zu locken. Schließlich hatte sie geschworen, ihm das Leben zur Hölle zu machen. Als er die Ungewissheit nicht mehr ausgehalten hatte, hatte er sich auf die Suche nach ihr begeben und eine Reihe von Festivitäten besucht, in der Hoffnung, ihr wie zufällig zu begegnen. Doch sie hatte sich weder in der Öffentlichkeit gezeigt noch das Haus bezogen, das er ihr gekauft hatte.
Zu guter Letzt war Raphael zu der Überzeugung gekommen, dass sie sich rar machte, um unbequemen Fragen über sich und ihn aus dem Weg zu gehen. Kluges Mädchen, zumal es unsäglich erniedrigend wäre, dass ihr Gemahl nicht mit ihr zusammen sein wollte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass sie es ohne Weiteres zugab. Nein, ihr war eher zuzutrauen, dass sie sich ein erlogenes Szenario zurechtlegte, bei dem er alles andere als gut wegkam.
Überraschenderweise waren bislang noch keine Gerüchte, die ihre Ehe betrafen, bis zu ihm vorgedrungen. Dafür war er von allen Seiten mit Fragen überhäuft worden und konnte von Glück sprechen, dass er nicht auf den Mund gefallen war und geantwortet hatte, ohne zu viel preiszugeben. Ferner hatte seine Schwester, die ebenfalls von allen Seiten gelöchert wurde, zugestimmt, weiterhin so zu tun, als spreche sie noch immer nicht mit ihm.
Beim Dinner am Vorabend, bevor sie auf einen Ball gegangen war hatte sie ihm versichert: »Alle denken, wir wären noch immer zerstritten. Du glaubst gar nicht, wie erholsam es ist, wenn ich sagen kann, dass ich von nichts weiß.«
Irgendwann gab Raphael die Grübelei darüber auf, was Ophelia wohl vorhatte, und machte sich auf den Weg zu ihrem Haus, um es selbst herauszufinden. Damit sie umgehend in ihr neues Domizil einziehen konnte, hatte er ein bereits, in eleganter Manier eingerichtetes Haus erstanden und umgehend das nötige Personal eingestellt.
Es hätte ihn nicht überrascht, wenn sie die Belegschaft entlassen hätte, um sich selbst neues Gesinde zu suchen. Doch das hatte sie nicht getan. Der Butler, der auf sein Klopfen hin die Tür öffnete, war derselbe, den er eingestellt hatte.
»Wo ist sie?«, erkundigte es sich bei Mister Collins.
»Wer, Mylord?«
»Meine Gemahlin, natürlich«, antwortete Raphael leicht gereizt, als er ihm Hut und Mantel übergab. Nur zu lebhaft konnte er sich daran erinnern, wie sie ihn das letzte Mal hatte warten lassen. Am besten, er machte es sich erst einmal gemütlich.
»Lady Locke ist bislang noch nicht eingezogen«, ließ Collins ihn wissen. Es war ihm anzumerken, wie unangenehm es ihm war, dass ausgerechnet er dem Hausherrn diese Information überbringen musste.
Damit hatte er nicht gerechnet. »Es ist nun fast eine Woche vergangen, seit ich sie habe wissen lassen, das Haus wäre einzugsbereit. Hat sie wenigstens schon ihre Kleider und persönlichen Gegenstände herbringen lassen?«
»Wir haben die Dame des Hauses noch nicht zu Gesicht bekommen.«
Raphael verkniff sich weitere Fragen, entriss dem Butler den Mantel, vergaß jedoch den Hut und war binnen Sekunden auf dem Weg zu den Reids, wo er erfuhr, dass Ophelia vor zwei Tagen verreist sei. Das war der Moment, in dem er von bodenloser Panik übermannt wurde.
Es war gar nicht auszudenken, was für Scherereien sie ihm bescheren konnte, wenn sie seiner Familie einen Besuch abstatten zweifelte nicht einen Augenblick daran, dass sie sich auf Norford Hall aufhielt, um gegen ihn schlecht Wetter zu machen. Und sie hatte bereits einen Vorsprung von zwei Tagen! Die Angst schnürte ihm die Kehle zu, schließlich hatte er es mit der alten Ophelia zu tun, jener Frau, die er nicht gemocht hatte die nichts lieber tat, als Gerüchte in die Welt zu setzen und mit Lügen zu untermauern. Der Ophelia, die nur an sich dachte und der es einerlei war, wen sie auf dem Weg zu ihren selbstsüchtigen Zielen verletzte. Und ihr aktuelles Ziel hieß, ihm zu schaden.
Stunden später traf er auf Norford Hall ein. Aufgrund
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