Reid 2 Die ungehorsame Braut
verholfen. Und es ist schuld daran, dass ich den Großteil meines Lebens anderen nicht habe vertrauen können. Die meisten Menschen, die mich umgeben, sind mir gegenüber nicht aufrichtig. Das meine ich, wenn ich von Fluch spreche.«
Einen Augenblick lang sah der Herzog sie nachdenklich an. »Man könnte meinen, dass jemand mit Ihren Vorzügen ein erfülltes und zufriedenes Leben führt. Umso erstaunter bin ich, dass das Gegenteil der Fall zu sein scheint.«
Ophelia zuckte verlegen die Achseln. »Meine Verbitterung ist nicht mehr so ausgeprägt wie früher, eine Tatsache, die ich übrigens Ihrem Sohn zu verdanken habe. Er hat mir geholfen, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu sehen. Neues Vertrauen in mein Leben entwickelt zu haben, ist ein wunderbares Gefühl...«
»Ja, ich entsinne mich, dass er mit Ihnen... gearbeitet hat. Er erwähnte so etwas.«
Prestons Schweigen legte nahe, dass Rafe seinem Vater mehr erzählt hatte, als ihr lieb war. Was, wenn er ihm sogar anvertraut hatte, dass sie intim geworden waren? Es sollte ja Väter und Söhne geben, die keine Geheimnisse voreinander hatten. Ophelia spürte, wie ihr die Röte in die Wangen kroch.
»Da wir gerade beim Thema sind: Wo ist eigentlich der Bräutigam? Ich hätte angenommen, dass er Sie auf Ihrem ersten Besuch in seinem Elternhaus begleitet.«
Ophelia zögerte kurz, ehe sie einräumte: »Er weiß gar nicht, dass ich hier bin. Rafe und ich sprechen zurzeit nicht miteinander. Außerdem wohnen wir getrennt.«
Ophelias Worte trieben dem Herzog die Falten auf die Stirn. »Weigern Sie sich etwa, mit ihm zusammenzuleben?«
»Im Gegenteil. Er hat mich geheiratet und umgehend wieder bei meinen Eltern abgesetzt.«
Jetzt hielt es den Herzog nicht mehr im Sessel. »Der kann was erleben«, zischte er mit tiefrotem Gesicht.
Dann geschah etwas, das Ophelia überraschte: Sie verteidigte Rafe. »Er wollte mich gar nicht heiraten. Er ist sogar ziemlich ungehalten, dass er dazu gezwungen wurde.«
Nachdem der Herzog diese Nachricht verdaut hatte, nahm er seufzend wieder Platz. »Ich fürchte, dafür trage ich die Verantwortung Ich habe ihn mehr oder weniger genötigt, Ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie wissen schon, die Gerüchte. Es wäre unverantwortlich gewesen, wenn die Situation außer Kontrolle geraten wäre. Sie hätten Ihren Ruf zerstört, wenn er Sie nicht zu seiner Verlobten gemacht hätte. Dass das Ganze letzten Endes so schnell ging, damit habe ich allerdings nicht gerechnet.«
»Ihrem Sohn ist es nicht anders ergangen. Genau genommen hätte er nie gedacht, dass es überhaupt je so weit kommen würde. Er hatte vorgehabt, die Gerüchte zu zerstreuen, um einer Hochzeit mit mir zu entkommen. Doch dann habe ich die Beherrschung verloren und ihn geradezu herausgefordert, mich vor den Magistrat zu zerren. Ihn trifft also keinerlei Schuld.«
»Dabei hätte ich schwören können, er hätte voller Stolz behauptet, Ihr Gemüt gezähmt zu haben.«
Sie presste die Lippen aufeinander. »So, hat er das? Nun ja, in gewisser Weise stimmt es auch. Mittlerweile kann ich mich sogar mit meinem Vater unterhalten, ohne ihn anzuschreien. Bei Rafe liegt der Fall jedoch anders. Immer wenn er ins Spiel kommt, habe ich mich einfach nicht unter Kontrolle.«
»Verstehe«, sagte der Herzog nachdenklich.
Sie wünschte, sie könnte das auch von sich behaupten. »Wie dem auch sei, ich würde nur ungern allein in dem Haus leben, das er für mich gekauft hat. Ich bin überzeugt davon, dass er ein stilvolles Objekt ausgewählt hat, aber solange ich unter Gemütsschwankungen leide, wäre es besser, Menschen um mich herum zu wissen.«
»Die Türen meines Hauses stehen Ihnen weit offen«, sagte er und schien es auch so zu meinen.
»Herzlichen Dank, aber das ist nicht der Grund meines heutigen Besuches. Meine Zofe, Sadie, ist überzeugt davon, ich sei guter Hoffnung. Ich hingegen...«
»Wirklich?«, riss er das Wort mit einem breiten Lächeln an sich. »Das sind ja wundervolle Nachrichten. Also hat er sie nach der Eheschließung doch nicht direkt verlassen.«
»Doch, das hat er. Aber unsere gemeinsame Zeit auf Alder’s Nest war nicht nur in einer Hinsicht ereignisreich.« Erleichtert stellte Ophelia fest, dass sie nicht weiter ins Detail gehen musste. Auf seinem Gesicht lag eine Mischung aus Verständnis und Missbilligung. »Wie ich eben sagte, glaube ich nicht, dass an Sadies Vermutungen etwas dran ist. Außerdem ist es noch viel zu früh, um sicher sein zu
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