Reid 2 Die ungehorsame Braut
Haaren und den blauen Augen wie eine ältere Ausgabe von Rafe.
Nachdem er einen flüchtigen Blick auf die düster dreinblickende Frau geworfen hatte, sagte er: »Julie, geh nach Hause. Du bist schon zu lange hier.«
»Aber ich bin doch gerade erst gekommen.«
»Genau.«
Dann trat er tiefer in den Raum und schloss sie in die Arme. Eine Geste, die seine Schwester erwiderte. Hatte er sie gerade aufgezogen? Ein Herzog, der seine Schwester ärgerte?
Erst danach wandte er sich Ophelia zu. »Ich glaube kaum, dass ich fragen muss, wer Sie sind. Die Gerüchte, die sich um Ihre Schönheit ranken, werden Ihnen nicht gerecht. Kommen sie mit. Wir werden uns ein Eckchen suchen, in dem uns keine sabbernden Neffen stören.«
»Aber ich sabbere doch gar nicht«, protestierte Rupert lautstark.
Doch der Herzog hatte den Raum bereits verlassen, und Ophelia spürte, dass er erwartete, sie würde ihm folgen. Vorher musste sie jedoch dafür sorgen, dass dieser Rupert ihre Hand wieder freigab. Nachdem ihr das mit einer ruckartigen Bewegung gelungen war, rauschte sie aus dem Salon.
»Beeilen Sie sich, meine Werteste. Ich werde mich nicht von der Stelle rühren und auf Sie warten«, rief Rupert ihr mit honigsüßer Stimme nach. Doch im nächsten Moment jaulte er auf. Ophelia war sich sicher, dass seine Mutter ihn mit etwas beworfen hatte.
Gerade noch rechtzeitig erspähte Ophelia den herzoglichen Rücken, wie er in einem Raum am anderen Ende des Flurs verschwand. Mit gerafften Röcken eilte sie ihm nach. Schlitternd kam sie vor der Tür zum Stehen, atmete einige Male tief durch, um sich zu fangen, und betrat erst dann den Raum, bei dem sie sich nicht sicher war, ob es sich um ein Arbeitszimmer oder eine Bibliothek handelte. Fast jede Wand zierte ein Bücherregal, und in einer Ecke stand ein ausladender Schreibtisch, wie Ophelia ihn noch nie gesehen hatte. Abgerundet wurde der imposante Eindruck durch eine gemütliche Sitzecke.
»Was für ein nettes... Arbeitszimmer«, merkte Ophelia an, als sie es dem Hausherrn gleichtat und in einem der bequemen Sessel Platz nahm. Auf einem niedrigen Tisch zwischen den Sesseln stand ein Tablett mit Tee.
»Mein Arbeitszimmer ist viel zweckmäßiger eingerichtet und befindet sich ein paar Türen weiter den Gang hinunter«, berichtigte er sie. »Hierhin ziehe ich mich zurück, um mich zu entspannen, wenn mir die Arbeit zu viel wird. Hätten Sie die Freundlichkeit, uns ein wenig Tee einzuschenken? Er ist gerade erst serviert worden.«
»Aber natürlich doch.«
Da seine Stimme keine Rückschlüsse auf seine Stimmung zuließ, konnte Ophelia nicht sagen, ob er erfreut war, sie kennenzulernen, oder ob ihre Anwesenheit ihn womöglich störte.
Gemessen an dem Grad ihrer Nervosität war sie erstaunt, dass die Teetassen in ihren Händen nicht klirrten. Sie konnte seinen Blick auf sich spüren, mit dem er sich wohl ein Bild von ihr machen wollte.
Schließlich sagte er: »Ihre Schönheit entbehrt tatsächlich jeder Beschreibung. Ich dachte bislang, das Gerede wäre übertrieben, aber dem ist keineswegs so.«
»Ich wünschte, ich wäre nicht so hübsch, Eure Hoheit.«
»Meine Liebe, Sie müssen mich nicht mit meinem Titel anreden. Nennen Sie mich fürs Erste Preston. Und wieso wünschen Sie sich, weniger hübsch zu sein?«
Als Ophelia ihm die Teetasse reichte, trafen sich ihre Blicke. »Es ist ein Segen und ein Fluch zugleich, wobei Letzteres schwerer wiegt.«
»Wieso?«
Ophelia schwieg einen Augenblick und dachte nach. Da sie das Thema angeschnitten hatte, wäre es das Beste, wenn sie die Wahrheit sprach. Immerhin hatte sie es mit ihrem Schwiegervater zu tun - und einem einflussreichen Mann obendrein. »In erster Linie, weil mein Vater mich wie ein wertvolles Schmuckstück behandelt, das er gern überall herumzeigt. Das ist auch der Grund, warum er und ich uns nicht verstehen. Dann wäre da noch die Art und Weise, wie die Menschen auf mich reagieren, wenn sie mich sehen. Nehmen Sie nur Ihren Neffen.«
Der Herzog stieß ein Lachen aus. »Rupert ist kein sonderlich gutes Beispiel, meine Liebe. Der Junge braucht nur einen Rockzipfel zu sehen, und schon ist er hin und weg. Aber davon abgesehen verstehe ich, was Sie sagen wollen.«
»Doch es sind nicht nur die Männer, die meine Nähe suchen. Frauen tun es auch, wenn auch aus anderen Gründen. Sie hoffen, in der Gunst der Männer zu steigen, wenn sie mit mir gesehen und in einem Atemzug genannt werden. Mein Antlitz hat mir zu einer gewissen Popularität
Weitere Kostenlose Bücher