Reid 2 Die ungehorsame Braut
das Kleid schlüpfte, das unter der Reise am wenigsten gelitten hatte, und nach unten ging, um ihre neue Familie kennenzulernen.
Kapitel siebenundvierzig
E s dauerte nicht lange, da hatte Ophelia sich in dem großen Gebäude verlaufen und wandelte orientierungslos durch das untere Stockwerk. Es gab nicht nur eine Empfangshalle, von der Räume abgingen, sondern gleich mehrere. Als sie merkte, dass sie ohne fremde Hilfe niemals den Familiensalon finden würde, verlangte sie kurzerhand eine Audienz beim Herzog und wurde von einem Diener umgehend in den blauen Salon geführt. Sie hoffte inständig, dass sie nicht allzu lange warten musste.
Der blaue Salon, dessen Name von der Wandbespannung und den pastellfarbenen Vorhängen herrührte, war nicht leer. Eine Frau mittleren Alters lag auf einem der Sofas, und es hatte tatsächlich den Anschein, als mache sie ein Nickerchen. Um das Licht auszublenden, das durch die lange Fensterfront fiel, hatte sie sich den Arm über die Augen gelegt. Beim Geräusch von Ophelias Schritten setzte sie sich auf, blickte zu ihr und verzog das Gesicht.
»Wer sind Sie? Nein, sagen Sie nichts. Es würde ohnehin nicht funktionieren. Am besten, Sie gehen, bevor mein Sohn zu uns stößt.«
Angesichts dieser befremdlichen Begrüßung wusste Ophelia nicht, ob sie lachen, weinen oder aus der Haut fahren sollte. Rafes Mutter? Hatte sie nicht gehört, sie sei bereits Vor Jahren verschieden? Wer mochte diese Frau sein? Mit ihrem blonden Haar und den blauen Augen war sie bemerkenswert hübsch und hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Rafe. Ihre barsche und herrische Art war jedoch eher maskulin.
»Ich bitte um Entschuldigung?«, sagte Ophelia.
»Mein Sohn Rupert lässt sich nur allzu leicht von schönen Frauen um den Finger wickeln«, ließ die Frau sie wissen. »Und Sie sind eindeutig zu hübsch. Ein Blick von Ihnen, und er hängt an Ihrem Rockzipfel. Sie müssen gehen.«
Ophelia entschied, die Bemerkung zu übergehen, und versuchte es erneut. »Kann es sein, dass Sie eine der zahlreichen Tanten meines Gemahls sind? Ich bin übrigens Ophelia.«
»Es ist mir einerlei, wer Sie sind, Mädchen, sehen Sie zu, dass Sie sich rar machen, und zwar flott. Nein, ich habe es mir anders überlegt. Wir gehen. Wir können meinem Bruder auch ein anderes Mal einen Besuch abstatten.«
Mit diesen Worten erhob sie sich, stieß jedoch ein kehliges Geräusch aus, weil sie zu lange gezögert hatte. Der junge Mann, von dem sie gesprochen hatte - ihr Sohn -, kam in den Salon geschlendert. Als sein Blick auf Ophelia fiel, blieb er wie angewurzelt stehen. Er starrte sie an. Nichts, das sie nicht gewöhnt wäre, aber im Gegensatz zu den meisten anderen hatte es ihm nicht die Sprache verschlagen.
»Mein Gott«, sagte er. »Mein Gott, sind die Engel jetzt auf die Erde herabgeschwebt?«
Mit dem leicht gewellten schwarzen Haar und den hellblauen Augen war er durchaus attraktiv, wenngleich ihm etwas sehr Feminines anhaftete. Seine Haut war zu glatt, die Nase zu dünn. Er trug nicht nur Spitze am Ärmelaufschlag, sondern auch an der Krawatte, und einen hellgrünen Gehrock aus Satin. Es überraschte Ophelia, dass er keine albernen Kniehosen trug. Sie empfand es als Ironie des Schicksals, dass der Sohn mädchenhaft wirkte, während die Mutter etwas Männliches versprühte.
»Du kannst den Mund jetzt wieder schließen, Rupert«, raunte seine Mutter angewidert. »Sie ist mit deinem Cousin Rafe verheiratet.«
»Ah, das erklärt alles.« Rupert klang nur mäßig enttäuscht, das sie bereits vergeben war. »Sie müssen die unvergleichliche Ophelia sein. Ich habe schon viel von Ihnen und Ihrer legendären Schönheit gehört, dem Gerede aber nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Hätte ich mich doch nur früher bemüht, Sie kennenzulernen?« Er lächelte Ophelia warmherzig an. »Vergessen Sie meinen Cousin. Was halten Sie davon, wenn wir beide davonlaufen? Ich werde Sie so glücklich machen wie kein anderer.«
»Ich habe einen Narren großgezogen!«, schalt seine Mutter.
Doch Rupert schien sie nicht zu hören, er hatte nur Augen für Ophelia. Im nächsten Moment machte er einen Satz nach vorn und küsste ihr die Hand, die er länger als nötig festhielt, während er ihr verträumt in die Augen sah.
Just in dem Moment betrat ein Mann von imposanter Statur und adligem Gebaren den Raum. Ophelia wusste sofort, mit wem sie es zu tun hatte - dem Duke of Norford. Sah man davon ab, dass er ein wenig runder war, wirkte er mit seinen blonden
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