Reid 2 Die ungehorsame Braut
schnell wie möglich hinter uns bringen.«
»Nun gut. Ich habe hier eine Liste mit Ihren Verfehlungen, Phelia. Ich werde sie nicht alle auf einmal darlegen, denn sonst säßen wir morgen früh noch hier. Aber wir werden Sie durchgehen, Punkt für Punkt. Heute Abend werden wir mit einem der Kritikpunkte an Ihnen beginnen, von dem ich und andere denken, dass er mit am schwersten wiegt. Die Rede ist von Ihrem Hang zum Kolportieren.«
»Ach ja, ich bin ja solch ein Klatschmaul«, entgegnete sie trocken. »Das sagten Sie bereits. Und das, obwohl ich in meinem ganzen Leben nur ein einziges Gerücht in die Welt gesetzt habe.«
»Drei«, korrigierte Raphael sie.
Ophelia sog scharf den Atem ein. »Drei? Die beiden anderen würden mich brennend interessieren.«
»Geduld, meine Liebe. Heute Abend werden wir uns nur mit dem Gerücht beschäftigen, bei dem Sie keinen Hehl daraus machen, dass Sie es in Umlauf gebracht haben. Ich nehme an, es handelt sich um den Rufmord an Duncan.«
»Sie nehmen das alles viel zu ernst. So groß dürfte der Schaden nicht sein, den er genommen hat. Sobald die Leute Duncan kennenlernen, wissen sie, dass er nichts Barbarisches an sich hat.«
»Aber das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, seinen Namen durch den Dreck zu ziehen.«
»Vergessen Sie nicht, dass er aus den Highlands stammt, einem rauen und unzivilisierten Landstrich.«
Wortlos starrte Raphael sie an.
Es vergingen einige Augenblicke, ehe Ophelia mit einem Seufzen hinterherschob: »Nun gut. Scheinbar haben wir es hier mit einem Mythos zu tun. Highlander können durchaus kultiviert sein. Zugegeben, wäre ich nicht so verzweifelt gewesen, hätte ich es vielleicht nie behauptet.«
»Wieso waren Sie verzweifelt?«
Ophelia murmelte etwas vor sich hin, doch Raphael konnte sie nicht verstehen. »Wie bitte?«
»Ich sagte, dass ich Angst hatte, er könnte tatsächlich ein Barbar sein. Schließlich bin ich nicht die Einzige, die an Mythen glaubt.«
»Sie haben also in erster Linie aus Furcht heraus gehandelt? Wenn ja, wäre das sogar nachvollziehbar.«
»Nein.«
Raphael traute seinen Ohren nicht. Da hatte sie ihm gerade einen glaubhaften Grund für ihr Verhalten geliefert, nur um im nächsten Atemzug alles wieder zunichte zu machen? »Nein?«
»Es war mehr als Angst. Ich war außer mir. Ich habe das Gerücht nicht in die Welt gesetzt, um Duncan zu verletzen, sondern um meinen Vater davon abzuhalten, mich mit einem Wildfremden zu verheiraten. Natürlich hatte ich Angst, was für ein Mensch er sein könnte, aber davon abgesehen bin ich nicht einmal gefragt worden, ob ich mich mit ihm verloben wollte. Ich war stinksauer auf meinen Vater, weil er nicht mit sich reden ließ. Also wollte ich, dass ihm die Gerüchte zu Ohren kämen, und er diese vermaledeite Verlobung aufhob.«
»Wozu es aber nie gekommen ist. Gehe ich recht in der Annahme, dass das Gerücht nie bis zu ihm vorgedrungen ist?«
»Doch, davon bin ich sogar überzeugt. Aber er hat sich vermutlich nicht viel darum geschert«, sagte sie leise.
»Ist es Ihnen je in den Sinn gekommen, sich Duncan mitzuteilen, statt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und ihn derart zu beleidigen, dass er die Verlobung löst?«
Ophelia stieß ein verbittertes Lachen aus. »Dasselbe hat Duncan mich auch schon gefragt. Aber ich hatte Angst, dass ich ihn nie würde loswerden können, sobald er mich erst einmal gesehen hätte.«
»Wegen Ihrer Schönheit? Ich sage es nur ungern, meine Liebe, aber es gibt Männer, die Gutherzigkeit und Ehrlichkeit über ein hübsches Antlitz stellen.«
Ophelia verdrehte die Augen. »So langsam dämmert es mir, warum Sie und Duncan sich so gut verstehen. Selbst Ihre Gedankengänge ähneln sich.«
»Wie meinen Sie das?«
»Er hat fast dasselbe wie Sie gesagt. Mit dem winzigen Unterschied, dass er von Gediegenheit sprach, die Männer angeblich so sehr schätzen. Aber ich werde Ihnen verraten, was ich daraufhin erwidert habe. Dass ich Hunderte von Heiratsanträgen hätte, die Beweis genug dafür sind, was Männer sich in Wahrheit wünschen. Viele der Anträge stammen von Männern, die mich kaum kennen. Wie haben Sie sie doch gleich genannt? Arme Tölpel? Wie recht Sie haben.«
Raphael war ohnmächtig gegen das Feixen, das sein Gesicht eroberte. »Zur Verteidigung meines Geschlechts möchte ich nicht in Abrede stellen, dass die meisten von ihnen von ihrem Anblick hingerissen waren, und das aus gutem Grund. Wegen Ihres hohen Bekanntheitsgrades hielten sie ein
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