Reid 2 Die ungehorsame Braut
später hatte er sich wieder unter Kontrolle.
»Ich dachte dabei an eine wesentlich angenehmere Form der Ertüchtigung.« Als er Ophelias weit aufgerissene Augen bemerkte, schob er schnell hinterher: »Seien Sie unbesorgt, ich halte nicht viel davon, sich in einer verunglückten Kutsche mitten im Winter dem Liebesspiel hinzugeben. Da ist selbst für mich ein Punkt erreicht, an dem ich mich weigere. Es sei denn, es gäbe eine Kohlenpfanne, die mehr Wärme absondert als diese hier.«
Um Ophelia zu verstehen zu geben, dass er es nicht ernst meinte, krönte er die Worte mit seinem berühmt-berüchtigten Feixen. Zugleich beteuerte er sich selbst gegenüber noch einmal, dass er Ophelia nicht nach Alder’s Nest geholt hatte, um sie zu verführen. Daran hatte er keinen Augenblick gedacht. Nein, er wollte ihr aus ganzem Herzen helfen. Und was hatte ein kleiner, harmloser Kuss schon zu bedeuten? Außerdem würde er Ophelia helfen, die schneidende Kälte für einen Moment zu vergessen.
Zugleich wunderte er sich, wie es ihm gelungen war, die ganze Zeit über die Hände von ihr zu lassen. Jetzt, wo sich sein Bild von ihr wandelte und er Einblicke in ihre Welt bekam, sah er sie und ihre Schönheit mit anderen Augen. Natürlich gab es noch eine ganze Reihe von Dingen, über die sie zu gegebener Zeit würde Rechenschaft ablegen müssen. Ganz zu schweigen von ihrem Verhalten anderen gegenüber. Aber er musste sie ja nicht mögen, um sie zu begehren, oder? Und grundgütiger Gott, wie er sie begehrte, mit jeder Faser seines Körpers!
Kapitel neunzehn
D a Ophelia sich so gut es eben ging zusammengerollt und gegen ihre Knie geatmet hatte, hatte sie Raphael erst bemerkt, als er sie angesprochen hatte. Sie hatte erwartet, dass er sich an ihrem Pech weiden würde, doch dem war nicht so. Er war voller Sorge und Wut gewesen, wobei Letzteres zum Glück nicht ihr, sondern Albert galt.
Sie war bereits in größter Sorge gewesen, der Kutscher könnte womöglich erst am nächsten Tag wiederkommen. Beim Anblick Raphaels hatten sich ihre Ängste und Befürchtungen jedoch schlagartig in Luft aufgelöst. Nicht einen Augenblick hatte sie daran gezweifelt, dass er sie an einen sicheren und warmen Ort bringen würde. Es war ihr sogar einerlei, dass sie ihm nun doch nicht entkommen war.
»Phelia, ich werde Sie jetzt gleich küssen und versichere Ihnen, dass Ihnen dadurch binnen weniger Augenblicke warm werden wird.«
Allein die Vorstellung genügte, dass Ophelia die Kälte für einige Lidschläge vergaß, wenngleich ihre Zähne noch immer aufeinanderschlugen. Insgeheim wünschte sie sich, dass er sie wie nach der Schneeballschlacht küssen würde und sein Vorhaben nicht noch zusätzlich in Worte kleidete. Es wirkte beinahe, als wolle er sie um Erlaubnis fragen. Doch sie würde unter keinen Umständen zugeben, dass sie einem Kuss nicht abgeneigt war. Genau genommen war sie enttäuscht, dass er nach ihrem ersten Kuss keine weiteren Anstalten gemacht hatte, ihr einen weiteren zu rauben.
»Sie sprechen wohl aus Erfahrung, nehme ich an?«, erwiderte sie bibbernd.
»Selbstredend. Leidenschaft versprüht ihre eigene Wärme. Sollen wir es ausprobieren?«
Da, jetzt hatte er sie tatsächlich gefragt. Wie bieder. Warum genoss dieser Mann den Ruf, ein Lebemann zu sein, wenn er ihm nicht gerecht wurde?
»Ich sehe nichts, was dagegenspricht«, sagte sie seufzend. »Mir ist alles recht, damit mir wieder warm wird.«
»Alles?« Raphael feixte.
»Fast alles.«
Grinsend lehnte er sich zu ihr herüber, bis sich ihre Münder berührten. Seine Lippen waren angenehm warm. Da er sie nirgends sonst berührte, vermutete Ophelia, dass er sich bewusst zurücknahm. Oder... was, wenn er sie im Grunde gar nicht wirklich küssen wollte? Doch das wohlige Kribbeln, das sich schon im nächsten Augenblick einstellte, ließ Ophelia den Gedanken vergessen.
»Kein Grund, sich zu ängstigen«, wiederholte Raphael noch einmal, sein Mund dicht an dem ihren. »Als ich den Vorschlag gemacht habe, dachte ich dabei jedoch nicht an unschuldige Küsse. Anstrengung ist hier der Schlüssel.«
Ophelia wich zurück. »Was meinen Sie damit?«
»Das hier.«
Das hier entpuppte sich als ein Kuss voller Leidenschaft. Ehe sie es sich versah, hatte er sie an seine breite Brust gezogen und die Arme um sie gelegt. Seine Lippen labten sich an ihrem Mund, und seine kecke Zunge tat alles, damit sie sich ihr öffnete. Ophelia war schockiert. Zwar war es einige Male vorgekommen, dass ihre Verehrer
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