Reid 2 Die ungehorsame Braut
fast überkochte. »Ich hatte Ihnen etwas mehr Verstand zugetraut, als bei eisigen Temperaturen in einer unbeheizten Kutsche zu flüchten«, fuhr er sie an, ehe er sich der Handschuhe entledigte, ihre Hände an sich riss und sie zwischen den seinen rieb.
Ophelia ließ ihn gewähren und sagte einfach nur: »Aus lauter Verzweiflung mache ich hin und wieder dumme Dinge. Ich dachte, darauf hätten wir beide uns bereits geeinigt.«
»Sie waren nicht verzweifelt. Sie hatten Angst davor, der Frau ins Gesicht zu sehen, der die Menschen begegnen, wenn sie Ihnen gegenübertreten. Was ist eigentlich mit Ihrem Haar geschehen?«
Ophelia befreite eine ihrer Hände und schob sich die abtrünnige Strähne aus dem Gesicht. »Ich brauchte ein wenig zusätzliche Wärme für meinen Hals und meine Ohren.«
Ihr war also so kalt gewesen, dass sie versucht hatte, sich mit ihrem eigenen Haar zu wärmen. Wütend raunte Raphael: »Ich bringe diesen Idioten um, weil er sich auf diese Fahrt eingelassen hat.«
»Tun Sie das nicht. Ich habe ihm hundert Pfund versprochen.«
»Das ist keine Entschuldigung.« Raphael nahm wieder ihre Hände und blies warme Luft in sie.
»Es sei denn, Sie haben noch nie hundert Pfund Ihr Eigen genannt.«
Der Punkt ging an sie, dennoch sagte Raphael mit zusammengekniffenen Augen: »Sie sind also fest entschlossen, die Schuld auf sich zu nehmen?«
»Natürlich bin ich das. Nein, bin ich nicht. Sie tragen die Schuld an allem.«
Beinahe hätte Raphael gelächelt. »Ich habe mich schon gefragt, wann wir darauf zu sprechen kämen.«
»Hätten Sie sich nicht so halsstarrig gegeben und darauf bestanden, mich als Gefangene zu halten, wo Sie noch nicht einmal die Erlaubnis meiner Eltern haben, dann...«
»In dem Punkt muss ich Ihnen widersprechen, denn mittlerweile liegt mir das Einverständnis Ihrer Eltern vor. Meine Schwester war so freundlich, mir meine Post mitzubringen.«
Ophelia sackte in sich zusammen. »Wie schön für Sie, von jeglicher Schuld entbunden zu sein.«
»Das ist es in der Tat, zumal wir noch lange nicht damit fertig waren, Ihr Verhalten zu analysieren.«
Ophelia wusste, dass er sie aufzog, andernfalls wäre ihr angesichts der Bemerkung der Kragen geplatzt. Als sein Blick ihre zitternden Hände streifte, fiel ihm der Sack Briketts wieder ein, den er am Sattel festgebunden hatte.
»Ich habe da noch etwas für Sie«, sagte er und fügte hinzu: »Etwas, das Ihnen warm ums Herz werden lässt.« Mit diesen Worten empfahl er sich, war aber nach wenigen Augenblicken wieder zurück. Es dauerte nicht lange, da hatte er die Kohlenpfanne in Gang gebracht. Natürlich würde es noch eine Weile dauern, bis sich die Kutsche mit Wärme füllte. Bis es so weit war, würde Raphael sich also etwas anderes einfallen lassen müssen, um Ophelia, die wie Espenlaub zitterte und deren Lippen sich bereits blau verfärbten, zu wärmen.
»Wenn man es genau nimmt«, führte er ihr Gespräch fort, als wären sie nicht unterbrochen worden, »haben wir bereits immense Fortschritte gemacht. Sie sind lange nicht mehr so furchtbar wie am Anfang, und ich kann auch nichts wirklich Boshaftes an Ihnen erkennen. Erschrecken Sie sich nicht, aber ich werde jetzt etwas tun, damit Ihre Hände wärmer werden, bis die Kohlen die Kälte vertreiben.«
Raphael öffnete seinen Mantel, zog sich das Hemd aus der Hose und schob ihre Hände unter den Stoff, sodass sie auf seiner Brust lagen. Ophelia wollte sich befreien, doch Raphael hielt sie fest, wenngleich ihn ein kalter Schauer erfasste, so eisig waren ihre Finger.
»Das wird nicht funktionieren«, sagte sie nüchtern. »Sie sind nicht gerade warm.«
»Dann versuchen wir es hiermit«, sagte er und klemmte sich ihre Finger unter die Achseln.
»Das ist nur unbedeutend besser und wird auch nicht lange gut gehen. Gleich ist Ihnen auch kalt.«
»Mir war bereits kalt, meine Teuerste. Vermutlich haben Sie recht. Die einzige Möglichkeit, damit uns ein wenig warm ist, ist körperliche Ertüchtigung. Sie wissen schon, das Blut auf Trab bringen, bis man schwitzt. Das funktioniert immer.«
Ophelia warf ihm einen entgeisterten Blick zu. »Hier drin ist eindeutig zu wenig Platz für Leibesertüchtigung, und nein danke, ich werde bestimmt nicht da draußen herumlaufen.« Gekünstelt fügte sie hinzu: »Außerdem schwitze ich nicht. So etwas ziemt sich für eine Lady nun mal nicht.«
Es kostete Raphael einige Mühe, nicht laut loszuprusten, so dümmlich fand er diese Bemerkung. Augenblicke
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