Reid 2 Die ungehorsame Braut
anders gekommen, wenn Ophelia sich früher besonnen hätte... wenn sie nicht Rafe getroffen hätte. Womöglich hätten sie sich ineinander verliebt.
Welch ein faszinierender Gedanke! Es hätte geschehen können, wäre sie nicht so ichbezogen und versessen darauf gewesen, die Verlobung mit ihm zu lösen, ihn nicht mit Beleidigungen zu überhäufen und sich wie eine arrogante Ziege zu verhalten.
Ophelia merkte, dass Sabrina sie mit einem Lächeln bedachte. Erfreut und erleichtert erwiderte Ophelia es. Als sie Duncans skeptischen Blick auffing, versuchte sie ihn zu beruhigen.
»Hallo, Duncan«, sagte sie fast schon verschüchtert. »Es überrascht mich, dich und Sabrina in der Stadt zu sehen. So kurz vor eurer Hochzeit, meine ich.«
»Es handelt sich lediglich um einen Einkaufsbummel für die Damen.«
Hilary Lambert strahlte, weil Duncan sie mit einbezogen hatte, setzte aber sogleich ihre Unterhaltung mit Mary fort. Die beiden Freundinnen liebten es, in den Erinnerungen an frühere Zeiten zu schwelgen.
»Meinen Glückwunsch zur Verlobung«, fügte Ophelia an Duncan gewandt hinzu. »Ich freue mich für euch beide.«
»Da brat mir einer einen Storch«, stieß Duncan ungläubig hervor. »Du meinst es wirklich ernst, oder?«
Es war im Grunde eine rhetorische Frage, dennoch antwortete sie: »Die Dinge zwischen uns hätten sich vermutlich anders entwickelt, wenn wir nicht gezwungen gewesen wären, uns kennenzulernen. Aber ich hege keinen Zweifel daran, dass Sabrina die rechte Wahl für dich ist. Sie wird dir eine wesentlich bessere Gemahlin sein, als ich es je sein könnte.«
Duncans ungläubiger Blick ruhte jetzt auf Rafe. »Ich gebe mich geschlagen. Mehr brauche ich gar nicht zu hören, um zu wissen, dass sie sich verändert hat und richtig nett ist. Diese Wette gebe ich gern verloren, alter Freund.«
Ophelia zog die Stirn in Falten, aber es dauerte noch einige Augenblicke, bis sie die Tragweite von Duncans Worten begriff. Als sie sah, dass Rafe das Gesicht verzog, als hätte er eine Backpfeife kassiert, dämmerte es ihr.
Ophelia tat, als hätte sie die Bemerkung nicht gehört. »Eine Wette? Es ging die ganze Zeit um eine Wette? Du hast mich durch die Hölle gehen lassen, um eine Wette zu gewinnen?«
»Nein, so war das nicht.«
»Nicht?«
»Nein«, versicherte Rafe ihr. »Ich wusste, dass du dich ändern konntest. Jeder kann das. Die Wette habe ich nur ins Leben gerufen, weil Duncan so skeptisch war.«
Ophelia warf Duncan einen flüchtigen Blick zu und sah, dass er jetzt derjenige war, der zusammenzuckte. Auch Sabrina machte einen betretenen Eindruck. Schämte sie sich gar für ihren Verlobten? Oder rührte ihre Verlegenheit daher, weil sie, Ophelia, dabei war, eine Szene zu machen? Ophelia merkte, dass ihre Stimme mit jeder Silbe schriller wurde. Hier und da drehten bereits einige den Kopf in ihre Richtung. Mary und Hilary hatten ihre Unterhaltung unterbrochen und fragten beinahe wie aus einem Munde, ob etwas nicht in Ordnung sei.
Ophelia blieb ihnen eine Antwort schuldig. Sie konnte an nichts anderes als an Rafe und Duncan denken und stellte sich lebhaft vor, wie sie sich vor Lachen die Bäuche hielten und sich auf ihre Kosten lustig machten. Mochte es sein, dass alles Nette, das Rafe zu ihr gesagt hatte, schlichtweg erlogen war?
Halb verzagt, halb blutrünstig schleuderte sie Rafe einen Blick zu. »Sagtest du nicht, du hättest das alles getan, um mich glücklich zu machen? Pah! Dir ging es doch nur darum, deine Taschen zu füllen - auf meine Kosten. Was bist du doch für ein elender Lügner. Du solltest dich schämen!«
»Phelia, ich schwöre dir, ich...«
Doch Ophelia hörte seine Erklärung nicht mehr. Längst lief sie mit gerafften Röcken in Richtung Tür, dicht gefolgt von ihrer Mutter .
»Was ist geschehen?«, wollte Mary wissen, die bereits nach wenigen Schritten außer Puste war.
Ophelia hatte weder auf ihren Umhang gewartet noch darauf, dass ihre Kutsche vorgefahren wurde. Sie war kurzerhand selbst nach draußen gelaufen und hatte sich auf die Suche nach ihrem Gefährt gemacht. Da die Kutsche am Straßenrand wartete, dauerte es nur wenige Sekunden, bis Mutter und Tochter sich auf dem Heimweg befanden.
»Was ist passiert?«, wiederholte ihre Mutter noch einmal.
Wieder blieb Ophelia ihr eine Antwort schuldig. Sie hätte ohnehin keinen Ton herausbekommen, so mächtig war der Kloß in ihrem Hals. Doch die Tränen, die ihr über die Wangen kullerten, reichten Mary als Antwort. Es dauerte
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