Reid 2 Die ungehorsame Braut
nicht vergessen. Er ist ein guter Mann, auch wenn er zuweilen entsetzlich zielstrebig sein kann.«
»Vor allem, wenn es um mich geht.«
»Ja. Aber ärgere dich nicht, Liebes. Eines Tages wirst du auf all dies mit einem Lächeln zurückblicken. Da bin ich mir ganz sicher.«
Ophelia war anderer Meinung, entschied aber, es für sich zu halten. Stattdessen stellte sie sich an ihren Schreibtisch, wo sich die Einladungen für den Abend türmten.
Die hier kannst du wegwerfen, Mama. Mir ist auch heute nicht danach auszugehen. Wenn du möchtest, kannst du für morgen Abend Zusagen. Du entscheidest, bei wem. Ich mag Überraschungen.«
Mary nickte, blieb auf dem Weg zur Tür aber noch einmal stehen. »Kommst du wenigstens zum Essen nach unten?«
»Lieber nicht. Aber ich verspreche dir, dass ich keine Trübsal mehr blasen werde. Ernsthaft, mir geht es gut. Ich habe einfach nur schlecht geschlafen. Verlass dich drauf, morgen werde ich ausgelassener sein denn je.«
Kapitel siebenunddreißig
D a die Kunde, dass Amanda und Raphael eingetroffen waren, verbreitete sich blitzschnell im herzoglichen Haushalt, was nicht zuletzt auch an Amandas Freudenschreien und Jauchzen lag. Jeden, dem sie begegnete, umarmte sie erst einmal herzlich. Der Lärm lockte selbst ihre Großmutter vor die Tür ihres Zimmers. »Bist du das, Julie?«, rief die betagte Dame vom obersten Treppenabsatz.
»Ich bin es, Großmutter. Mandy.«
»Komm und nimm uns in den Arm, Julie.«
Amanda verdrehte die Augen und lief die Treppe nach oben, um Agatha Locke zu begrüßen und in ihr Zimmer zurückzubringen. Es war bereits seit einigen Jahren der Fall, dass die alte Dame Familienmitglieder verwechselte. Amanda wusste, dass es keinen Sinn hatte, sie zu korrigieren, weil sie dann leicht ungehalten wurde. Das Beste war also, Stillschweigen darüber zu bewahren.
»In letzter Zeit spricht Mama mich häufig mit Raphael an«, sagte Preston Locke, der zehnte Duke of Norford, als er seinen Sohn kräftig in die Arme schloss, was er stets zur Begrüßung tat. »Ich hoffe, dass ich wieder ich sein kann, wenn sie ich erst einmal gesehen hat.«
Raphael grinste seinen Vater an, der fast so groß war wie er und von dem er sowohl Haar- als auch Augenfarbe geerbt hatte. Bei Raphaels letztem Besuch hatte sein Vater sich jedoch bitterlich über die grauen Strähnen beschwert, die sein Blond verdrängten. Zudem war er im Lauf der letzten Jahre mehr und mehr in die Breite gegangen.
»Das ist doch hoffentlich nicht der Grund, warum du mich hast rufen lassen, oder?«, zog Raphael seinen alten Herrn auf. Mit dem Schnauben, das er daraufhin erntete, hatte er fest gerechnet.
»Komm mit«, sagte Preston und steuerte auf den Salon zu. Im letzten Augenblick nahm er jedoch eine Kursänderung vor. »Lass uns lieber in mein Arbeitszimmer gehen, wo wir ungestört sind.«
Mit gerunzelter Stirn folgte Raphael seinem Vater. »Wo wir ungestört sind« bereitete ihm ein wenig Bauchschmerzen, weil er das Arbeitszimmer stets mit Bestrafungen in Verbindung brachte. Er wusste nicht, wie viele Male er und Amanda dorthin zitiert worden waren.
Das Arbeitszimmer war geräumig, fast so groß wie der Salon, der bereits ungewöhnlich groß ausfiel. Verglichen mit anderen Arbeitszimmern war dies eher als ungewöhnlich zu bezeichnen. Raphaels Mutter, die den Großteil des alten Gebäudes im Laufe der letzten Jahre renoviert hatte, war es streng untersagt, Änderungen am Arbeitszimmer vorzunehmen. Das Ungewöhnlichste an dem Raum waren die weiß getünchten Wände. Anders als die meisten Wände im Haus zierten sie keine Paneele oder Tapeten. Raphaels Vater legte Wert darauf, dass die Gemälde durch den hellen Hintergrund besser zur Geltung kamen. Im Grunde mochte Raphael den hellen Raum - vorausgesetzt, er musste nicht zur Strafpredigt antreten.
»Herzlichen Glückwunsch«, eröffnete Preston die Unterhaltung, als er sich an seinem Schreibtisch niederließ.
Der leicht gereizte Unterton seines Vaters alarmierte Raphael. »Wie meinst du das? Und außerdem klingst du irgendwie verstimmt.«
»Weil es nett gewesen wäre, wenn ich es als Erster erfahren hätte. Setz dich. Ich möchte alles haarklein wissen.«
»Gewiss doch. Es würde mir allerdings leichter fallen, wenn ich wüsste, wozu du mich beglückwünscht hast.«
Preston hob eine seiner hellen Augenbrauen. »Gibt es denn mehrere Großtaten, die du vollbracht hast?«
Raphaels Stirnrunzeln wurde stärker. »Das Einzige, auf das ich stolz sein
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