Reid 2 Die ungehorsame Braut
könnte, gehört mitnichten an die große Glocke
gehängt. Also, worüber sprechen wir hier genau?«
»Über deine Verlobung natürlich.«
Raphael, der sich gerade hatte hinsetzen wollen, schoss in die Höhe. »Ich bin... nicht... verlobt«, sagte er klar und deutlich.
»Das solltest du aber schleunigst nachholen, wenn man bedenkt, was sich gerade hinter vorgehaltener Hand erzählt wird.«
Raphael schloss die Augen. Gütiger Gott, was hatte Ophelia jetzt schon wieder getan? Es lag auf der Hand, dass sein Vater von ihr sprach.
»Mein alter Freund John Forton hat mir eigens einen Besuch abgestattet, um mich zu beglückwünschen. Natürlich hat er angenommen, dass ich als Vater des Bräutigams längst...«, fuhr Preston fort.
»Ich bin kein Bräutigam!«
»... darüber Bescheid wüsste.« Prestons Blick sagte: Untersteh dich, mich noch einmal zu unterbrechen. »Woher sollte er auch wissen, dass ich aus allen Wolken fallen würde? Er hat sofort die Gelegenheit ergriffen und mir alles haarklein erzählt. Es erübrigt sich zu sagen, wie peinlich mir das Ganze war.«
»Das kommt auf die Fakten an, die er dir präsentiert hat, würde ich sagen.«
»Was soll das denn heißen?«
»Na ja, an Ophelia Reid scheiden sich die Geister. Wir sprechen doch von Ophelia Reid, oder?« Da sein Vater demonstrativ die Lippen aufeinanderpresste, fuhr Raphael fort. »Entweder man mag sie, oder man hasst sie. Nun, zumindest galt dies bis vor Kurzem. Jetzt ist sie ein anderer Mensch, das heißt, das war sie, bis sie vor einigen Tagen etwas herausgefunden hat, das sie entweder vollkommen aus der Bahn geworfen oder sie zur Furie gemacht hat.«
»Jetzt setz dich erst einmal, Junge.«
Rafe tat, wie ihm geheißen, und fuhr sich betrübt durch das Haar. »Ich weiß nicht, warum mich das überrascht. Schließlich war sie früher eine Meisterin der Kolportage. Vermutlich will sie es mir so heimzahlen.«
Preston seufzte. »Lass die Selbstgespräche und rede mit mir. Was mir zu Ohren gekommen ist, klingt nicht danach, als stamme es aus dem Munde eines Frauenzimmers. Es sei denn, besagte Dame schreckt nicht einmal davor zurück, den eigenen Namen durch den Dreck zu ziehen.«
»Was genau hast du denn nun gehört?«
»Dass man dich auf Summers Glade mit ihr zusammen gesehen hat. Angeblich war das der Auftakt eurer Beziehung, denn danach seid ihr beide für die Dauer einer Woche wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Ich muss dir nicht sagen, dass so etwas die Gerüchteküche zum Brodeln bringt, oder? Und dann hat ihr Vater jedem, der es nicht hören wollte, erzählt, sie wäre hierher eingeladen worden. Und das, wo wir für gewöhnlich keine Fremden nach Norford Hall laden.«
Raphael zuckte innerlich zusammen und erklärte: »Das war mein Fehler. Ich habe ihm eine Nachricht geschickt, dass ich seine Tochter unter meine Fittiche nehmen würde und gemeinsam mit ihr meine Familie besuchen wolle.«
»Mit anderen Worten, du hast ihn angelogen.«
»Nein, ich habe lediglich nicht präzisiert, um welche Familienmitglieder es sich handelt. Schließlich ist unsere Familie über das ganze Land verstreut. Und falls es dich interessiert, wir haben deiner Schwester Esmeralda einen Besuch abgestattet und sie als Anstandsdame mit nach Northumberland genommen.«
Jetzt hielt es Preston nicht länger auf dem Stuhl. »Du hast eine jungfräuliche Debütantin mit nach Alder’s Nest genom men? Gütiger Gott, Rafe, was hast du dir nur dabei gedacht?«
»Woher sollte ich denn wissen, dass es gleich die Runde macht?«
»Vielleicht hättest du es nicht so hinstellen sollen, als würde sie gleich die ganze Familie kennenlernen.«
»Da hast du recht.«
»Das Schlimmste an der Sache ist allerdings, dass es Zeugen dafür gibt, dass du sie am Abend ihrer Rückkehr im Hause ihrer Eltern geküsst hast.«
Raphael sackte in sich zusammen. »Das war ausnahmsweise nicht mein Fehler«, verteidigte er sich.
»Sie hat angefangen.«
»Spielt es wirklich eine Rolle, wer wen zuerst geküsst hat?«
Raphael seufzte. »Sonst noch etwas?«
»Ja. Wieso hast du den ersten Tanz auf dem Ball der Wilcotts ausgerechnet mit ihr getanzt?«
»Verflixt, war das ihr erster Tanz an dem Abend?«
»So erzählt man es sich.«
»Wer führt eigentlich Buch über solche Dinge?«
Ȁltere Damen, die nichts Besseres mit ihrer Zeit anzufangen wissen. Aber das tut nichts zur Sache. Die Allgemeinheit denkt, dass ihr bereits verlobt seid und es nur noch nicht bekannt gegeben habt. Ist dir
Weitere Kostenlose Bücher