Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
kreidebleich, ehe ihr Blick zu Rebeccas Taille glitt. »Man sieht nichts, rein gar nichts. Ich wage zu bezweifeln, dass Ihr überhaupt in anderen Umständen seid«, knurrte sie.
Rebecca hätte am liebsten hysterisch losgelacht. Es war erst wenige Tage her, dass ihre Blähungen sich gelegt hatten und sie nicht mehr so aufgedunsen wirkte. Zudem hatte sie die Kontrolle beim Essen zurückgewonnen. Ob es daran lag, dass Rupert nicht mehr in ihrer Nähe weilte?
»Mein Gemahl denkt so ähnlich, und genau deshalb haben wir uns getrennt. Er ist felsenfest davon überzeugt, dass meine Schwangerschaft nur vorgetäuscht ist. Bedauerlicherweise bin ich noch nicht so weit, als dass man etwas sehen könnte. Und je länger es dauert, bis ich ihm endlich beweisen kann, dass ich schwanger bin, desto mehr schwillt mein Hass auf ihn an. « Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, da Mary aber einen höchst interessierten Eindruck machte, setzte Rebecca noch einen obendrauf: »Ich bin mit einem Paukenschlag in sein Leben getreten, habe es aber auf leisen Sohlen verlassen. Er hat nicht einmal versucht, mich davon abzuhalten. Aber ich dachte die ganze Zeit, er wäre in London. Wenn er nicht dort ist, habe ich keine Ahnung, wo er sich aufhalten könnte. Außerdem ist es mir einerlei, wo er sich herumtreibt. «
Vor allem der letzte Satz kostete Rebecca einige Überwindung. Sie spürte, wie sich Tränen in ihren Augen sammelten, blinzelte sie jedoch fort. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für Rührseligkeit!
»Wenn dem so ist, sollte ich ihn vielleicht für uns beide umbringen! «, rief Mary aus.
Rebecca, die allerdings nicht auf Marys Mitleid aus war, versuchte abermals, die Frau zur Vernunft zu bringen: »Er ist ein Draufgänger, ja«, hob sie an, »aber den Tod hat er deshalb noch lange nicht verdient. Mir will jedoch nicht in den Kopf, warum Ihr einen Mann sühnen wollt, der alles andere als unschuldig war. Immerhin schmuggelte er Waffen nach Indien, durch die unzählige unserer Landsleute den Tod fan-den. Er wäre sowieso wegen Landesverrats hingerichtet worden, Mary! «
»Nein! Das lag alles am Krieg! Jeder Krieg fordert Opfer. Samuel hat nichts Unrechtes getan. Nichts als Lügen! Er wurde zu Unrecht unehrenhaft entlassen. Diese Kameradenschweine haben uns ruiniert! «
Rebecca hielt die Luft an, als sie merkte, dass Mary im Grunde wusste, was ihr Mann auf dem Kerbholz hatte. Es blieb also nur eins übrig, um Mary endlich zur Vernunft zu bringen: Sie musste sie an ihre Kinderschar erinnern.
»Glaubt mir, ich bin untröstlich über den schmerzhaften Verlust, den Ihr erleiden musstet! Egal, was Samuel auch verbrochen hat, er war ein wundervoller Vater, nicht wahr? «
»Es wird nie einen besseren Vater als ihn geben«, antwortete Mary mit erstickter Stimme und feuchten Augen.
»Das hat man sofort gespürt. Es ist furchtbar, einen Elternteil zu verlieren. Ich möchte mir erst gar nicht ausmalen, wie entsetzlich es sein muss, Mutter und Vater zu verlieren. Wer wird Eure Kinder großziehen und ihnen die Liebe geben, die Ihr ihnen nicht mehr angedeihen lassen könnt, weil Ihr wegen kaltblütigen Mordes hingerichtet werdet? «
»Hört auf! Meine Kinder werden mich nicht verlieren. «
»Und ob sie das werden! Es sei denn, Ihr überdenkt Euer Tun noch einmal. Irgendjemand wird Euch erkennen. Oder habt Ihr vor, uns alle zu töten? «
»Wenn es sein muss! «, stieß Mary wütend hervor.
»Das hättet Ihr besser nicht sagen sollen«, meldete Lilly sich zu Wort und trat mit aller Kraft gegen Marys Bein.
Ein Schuss zerriss die Luft, als Mary zu Boden ging. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, die Kugel schlug in der Wand ein. Obwohl die Wahrscheinlichkeit groß war, dass die Pistole mit nur einer Patrone bestückt war, versuchte Lilly, Mary die Waffe abzunehmen, woraufhin sich ein wilder Kampf entfachte.
Rebecca hatte jedoch keinen Blick für die Tollkühnheit ihrer Mutter, sondern starrte mit weit aufgerissenen Augen zur Tür. Rupert. Im selben Moment stürzte er in den Raum und warf sich auf die kämpfenden Frauen.
Er war gekommen! Rebecca war sich sicher gewesen, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Doch jetzt war er da. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er eine Minute früher durch die Tür getreten wäre! Die Vorstellung, wie Mary auf ihn zielte und abfeuerte, jagte Rebecca einen kalten Schauer über den Rücken. Sie wurde kreidebleich.
Es dauerte nicht lange, da hatte Rupert die Waffe in seine Gewalt gebracht und
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