Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
was einen plausiblen Grund hergab, um die Stadt unsicher zu machen und sich volllaufen zu lassen. Und genau das tat er auch - aber nicht, ehe er einen Bediensteten entsandt hatte, der darüber wachte, dass Rebecca in Norford war und dort blieb, bis er eine Entscheidung darüber treffen konnte, wie es weitergehen sollte.
Im Suff hatte Rupert so manche abstruse Idee entwickelt, was er als Nächstes tun würde. Glücklicherweise war er klug genug gewesen, sie gleich wieder zu verwerfen. Es war bereits später Nachmittag, als er sich am folgenden Tag aus den Federn quälte. Dank seines Brummschädels war er noch immer nicht imstande, eine endgültige Entscheidung zu treffen - oder seiner Mutter unter die Augen zu treten.
Als der Hunger Rupert nach unten trieb, wartete Julie bereits auf ihn. Ihr Anblick verriet, dass sie innerlich brodelte. Kaum hatte er die letzte Stufe hinter sich gelassen, schob sie ihn in den Salon und blockierte mit ihrer kräftigen und bebenden Statur den Ausgang.
»Und ich dachte, du wärst zur Vernunft gekommen, als du gestern Abend das Haus verlassen hast! «, fuhr sie ihn an. »Aber dann muss ich von meinen Spionen erfahren, dass du gar nicht nach Norford geritten bist, um deine Gemahlin nach Hause zu holen! «
»Du hast jemanden auf mich angesetzt? «
»Nein, ich habe jemanden nach Norford entsandt. Immerhin ist Rebecca die Mutter meines Enkelkindes, und ich möchte nicht die Letzte sein, die erfährt, wenn etwas nicht stimmt. «
Rupert fragte sich, ob sein Spion den Spion seiner Mutter getroffen haben mochte. Moment mal, seit wann dachte er eigentlich wie seine Mutter?
Geistesabwesend nahm er auf dem Sofa Platz und sah, dass der Tee bereits serviert war. Julie gesellte sich zu ihm und schenkte für sich und ihren Sohn ein. Doch keiner von beiden rührte die Tassen an.
»Du hättest nie dein Herz an ein Enkelkind verlieren dürfen, das es vielleicht gar nicht gibt«, durchbrach Rupert die entstandene Stille. »Du weißt genauso gut wie ich, dass es zahlreiche Frauenzimmer gibt, die zu einer List greifen, um einen Mann an sich zu binden. «
Egal, wie oft er sich dies sagte, es klang jedes Mal abgedroschen. Doch Julie verspottete ihn, indem sie ein lautes, nicht sehr damenhaftes Schnauben ausstieß. »Papperlapapp! Ich weiß genau, dass du das Baby für real hältst, genauso wie ich. Also spar dir dein dummes Geschwätz! Worauf wartest du eigentlich noch? Du hättest ihr ihn dem Moment nachreisen müssen, als du erfahren hast, dass sie fort ist. «
»Und was ist mit der vernichtenden Nachricht, die ihre Mutter zurückgelassen hat? Darin stand, sie würde mich kastrieren, falls ich Rebecca in den nächsten Wochen nicht die Ruhe gönne, die sie dringend nötig hat! «
»Wenn du dich ein wenig mehr angestrengt hättest, hätte sie die nötige Ruhe auch hier haben können. Jetzt sah das arme Ding sich gezwungen, wieder aufs Land zu ziehen. Und jetzt raus mit der Sprache: Was hat dich wirklich dazu veranlasst, zu tief ins Glas zu sehen? Versuch jetzt ja nicht, mich damit abzuspeisen, du hättest Angst vor ihrer Mutter! «
Rupert seufzte. »Natürlich nicht. Aber ich darf Rebeccas Gefühle nicht außer Acht lassen. Wie es scheint, war sie hier nicht sonderlich glücklich. «
»Und deshalb warst du es auch nicht? «, entgegnete Julie. »Rue, was ist nur los mit dir? So ausweichend kenne ich dich gar nicht. «
»Ich war ja auch noch nie verliebt. Außerdem sagte ich im Streit Dinge, die unverzeihlich sind. Ich habe mir selbst eine Grube gegraben, aus der ich jetzt nicht mehr so einfach herauskomme. «
Julie bedachte ihren Sohn mit einem Lächeln - vermutlich, weil es sonst nicht seine Art war, ein Geständnis abzulegen, das von Herzen kam. Vor lauter Freude, dass ihr Ältester sich ihr gegenüber geöffnet hatte, entschied sie, ihm einen guten Rat zu erteilen.
»Was wäre denn so schlimm daran, wenn du Rebecca die Wahrheit sagtest? Die Wahrheit verfügt über die wunderbare Eigenschaft, das beste Fundament darzustellen, um etwas darauf zu bauen. «
Julies Worte brachten eine Saite in Rupert zum Klingen. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und lief mit großen Schritten zur Tür. Das Schicksal wollte jedoch nicht, dass er den Salon so eilig verließ. Wie aus dem Nichts tauchte sein Onkel, der Duke of Norford, den der Butler unlängst eingelassen hatte, im Türrahmen auf. Er versperrte ihm nicht nur den Weg, sondern durchbohrte ihn auch mit bitterbösen Blicken.
»Hier treibst
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