Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
sehe, habe ich mich getäuscht. Raus mit der Sprache: Wo steckt dieser Mistkerl? Wann wird er eintreffen? «
Rebecca starrte mit weit aufgerissenen Augen in den Lauf der Pistole, die nur wenige Fingerbreit vor ihrem Gesicht schwebte. Ihr war, als würde sie nie wieder ein Wort herausbringen. Diese Frau war nicht mehr ganz bei Sinnen. Unbändige Wut stand ihr in das fratzenhaft verzerrte Gesicht geschrieben, schwang in ihrem wirren Blick mit. Rebecca wusste: Ein falsches Wort, und es wäre um sie gesehen.
Sie brachte nicht einmal den Mut auf, den Blick auf den Boden zu richten, um sich zu vergewissern, wie es Lilly ging, die ausgestreckt zu ihren Füßen auf dem Boden lag. Ihre Mutter hatte die Irre in den Raum geführt, in der Annahme, sie sei eine Freundin ihrer Tochter. Und da sie dachte, Rebecca könnte gut ein wenig Aufmunterung gebrauchen, hatte sie nicht einen Augenblick gezögert. Lilly konnte ja nicht ahnen, dass sie einer Schlange Zutritt zu ihrem Haus gewährte. Hinzu kommt der Umstand, dass die hochschwangere Mary Pearson den Eindruck erweckte, sie könnte keiner Fliege etwas zuleide tun. Kaum hatte sie den Salon betreten, verwandelte die Wut ihr Antlitz in eine hässliche Maske.
Rebecca war umgehend auf Mary Pearson zugesprungen, nachdem diese ihre Mutter mit der Pistole niedergeschlagen hatte. Als Mary mit der Waffe auf sie gezielt hatte, war Rebecca wie angewurzelt stehen geblieben. Es brach ihr fast das Herz, dass Lilly keine Laute von sich gab oder Anstalten machte, wieder aufzustehen.
Rebecca war klar, dass Mary von Rupert gesprochen hatte, konnte und wollte jetzt jedoch nicht weiter darüber nachdenken und flehte stattdessen: »Bitte, ich muss mich um sie kümmern! Sie ist meine Mutter! Ihr würdet doch sicherlich auch wollen, dass Eure Kinder sich um Euch kümmern, wenn Euch etwas zugestoßen ist, oder? «
Als Mary verständnisvoll nickte, glaubte Rebecca, die Zauberformel gefunden zu haben, mit der sie Mary von ihrem Vorhaben abbringen konnte: ihre mütterlichen Instinkte. Sie sank sogleich auf die Knie und untersuchte vorsichtig den Kopf ihrer Mutter. Gott sei Dank, nirgends Blut! Und Lilly atmete, machte sogar einen fast friedlichen Eindruck. Rebecca wurde ein wenig leichter ums Herz.
»Ein Kissen, bitte! «, beschwor sie Mary an und blickte nach oben.
Diese machte tatsächlich einen Schritt zur Seite, griff sich ein dünnes Sofakissen und reichte es Rebecca. Nachdem sie Lillys Kopf darauf gebettet hatte, nahm sie all ihren Mut zusammen und begann: »Vielleicht sollten wir einen Arzt... «
»Nein! «, fiel Mary ihr ins Wort. »Ihr wird nichts geschehen. Für Euer Wohl kann ich jedoch nicht garantieren. Und jetzt beantwortet meine Frage! Wo steckt Euer elender Gemahl? «
Rebecca erhob sich - und hatte sofort wieder die Pistolenmündung vor dem Gesicht - dieses Mal jedoch so nah, dass sie an nichts anderes denken konnte. Ob die Waffe losgehen würde, wenn sie versuchte, sie zur Seite zu schlagen?
Just als Rebecca all ihren Mut zusammennahm und zum Angriff übergehen wollte, fuhr Mary fort: »Ich möchte das hier endlich zu Ende bringen, damit ich wieder nach Hause zu meinen Kindern gehen kann. «
»Was zu Ende bringen? «
»Euren Gemahl erledigen. «
Rebecca holte scharf Luft. »Nein! «
»Ich muss es tun. Samuel hat es mir aufgetragen. Er erkannte das Wappen auf der Kutsche, mit der Ihr geflohen seid, und trug mir auf, ihn... «
»Das ist unmöglich! «
»Wenn ich es doch sage! «, versicherte Mary ihr. »Er bat mich, St. John ausfindig zu machen und ihn zu töten, um seinen Tod zu rächen und Vergeltung im Namen meiner Kinder zu üben, die nun ohne Vater aufwachsen müssen. Es ist die einzige Möglichkeit, damit Samuel endlich in Frieden ruhen kann! «
»Ihr Gemahl ist tot? «, fragte Rebecca ungläubig.
Als Mary ein ohrenbetäubendes Kreischen ausstieß, spürte Rebecca plötzlich das kalte Metall des Revolverlaufs an ihrer Wange. »Tut nicht so, als wüsstet Ihr nicht Bescheid! Ihr wart doch dabei, als es passiert ist. Wer weiß, vielleicht habt Ihr sogar den tödlichen Schuss abgefeuert! «
Rebecca, der der grässliche Nachmittag in Frankreich - allem voran die Flucht aus Le Mans und der Schusswechsel -noch lebhaft in Erinnerung war, erwiderte: »Ich lag bäuchlings auf dem Boden der Kutsche, um nicht verletzt zu werden. Mir war nicht bewusst, dass Euer Gemahl getroffen wurde. Mein Augenmerk lag in erster Linie darauf, mein Ungeborenes zu schützen. «
Mary wurde
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