Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
mehr dahinter, Eve, und das wisst Ihr genau«, widersprach Constance ihr. »Selbst uns, die wir nicht zum Gesinde gehören, behandelt sie wie den letzten Dreck. Wenn Ihr mich fragt, sind die Botengänge, die wir auf ihr Geheiß machen müssen, vollkommen unangemessen für eine Hofdame. «
»Was genau hat es mit diesen Botengängen auf sich? «, wagte Rebecca sich neugierig vor.
Constance wollte ihr gerade antworten, runzelte jedoch die Stirn und schloss den Mund. Glucksend tadelte Evelyn das Mädchen: »Seid unbesorgt, Rebecca gehört nicht zu Sarahs Hofspitzeln. Bei Elizabeth wäre ich mir da nicht so sicher, zumal die beiden blendend zurechtkommen. Während wir hier sitzen und plaudern, ist Elizabeth wieder einmal in Sarahs Auftrag unterwegs, wenn ich mich nicht täusche. «
»Wie sehen diese Aufträge denn aus? «, fragte Rebecca an Evelyn gewandt.
»Dem Hörensagen nach steht Lady Sarah im Zentrum der Palastintrigen. Es ist nicht lange her, da hat sie Constance auf einen Botschafter angesetzt und ihr aufgetragen, ihm zu folgen, sobald er den Palast verlässt, und ihr Bericht zu erstatten, wo er wann hingeht und was er dort tut. Das Ganze entpupp-te sich als harmlos. Wir fragen uns bis heute, wozu sie diese Informationen benötigte. Ja, es stimmt, ab und zu fragt sie uns, ob wir etwas für sie erledigen können, was aber an sich nicht weiter verwerflich oder gefährlich ist. Allerdings war es unverantwortlich von ihr, von Constance zu verlangen, ohne Begleitung den Palast zu verlassen. «
»Wieso habt Ihr den Auftrag nicht einfach abgelehnt? «, wollte Rebecca von Constance wissen.
»Weil Sarah zu jenen Menschen gehört, die kein Nein akzeptieren«, antwortete diese. »Ein Wort von ihr zur Herzogin, und wir sind unsere Stellung am Hofe los. Sie hat die Befugnis, uns vor die Tür zu setzen, falls es einen Anlass dafür gibt. «
Rebecca legte die Stirn in Falten. »Und diese Macht missbraucht sie? «
Evelyn seufzte. »Ich finde, wir messen den Aufträgen zu viel Bedeutung bei. Lasst uns nicht vergessen, dass sie auch nur eine Untergebene der Herzogin ist. Wir wissen es zwar nicht genau, aber vielleicht sammelt sie die Informationen auf Geheiß der Herzogin, die diese wiederum an ihre Tochter weiterleitet. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Sarah es wagen würde, uns für niedere Zwecke einzusetzen. «
Rebecca hoffte, dass Evelyn recht behielt - zumal ihre Mutter mit keinem Wort erwähnt hatte, dass sie in die Ränkespiele des Palastes verwickelt werden könnte. Je länger sie jedoch darüber nachdachte, desto spannender klang das Ganze.
Wie es schien, war Evelyn ähnlicher Meinung. »In erster Linie finde ich es recht unterhaltsam«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln. »Nehmen wir nur einmal den Kostümball, der für heute angesetzt ist. Ich habe den Auftrag erhalten, einem gewissen Lord den Kopf zu verdrehen und ihm im richtigen Moment eine höchst prekäre Frage zu stellen, damit er sich verplappert, ohne es zu merken. Wie ich das anstelle, hat Lady Sarah mir überlassen. «
Constance prustete verächtlich. »Ihr wisst genau, was sie erwartet, nämlich, dass Ihr Euch von ihm küssen lasst. «
Evelyn kicherte. »Unter uns gesagt wäre ich gar nicht so abgeneigt. Es handelt sich nämlich um ein himmlisch attraktives Mannsbild mit Taschen voller Gold. «
Bei dem Wort himmlisch musste Rebecca unwillkürlich an ihren Engel denken und betete zu Gott, dass Evelyn nicht von ihm sprach. Sie verkniff es sich jedoch, sie nach dem Namen ihres »Opfers« zu fragen, zumal sie ohnehin nicht gewusst hätte, ob sie von ihrem Engel sprach, da sie seinen wahren Namen ja nie erfahren hatte.
Wie auf Stichwort erschien Sarah Wheeler. Mit energischen Schritten lief sie an dem Tisch vorbei, an dem Rebecca und die anderen saßen.
»Lady Rebecca Marshall, Ihr kommt mit in mein Büro! «, wies sie mit kühler Stimme an, ehe sie den Salon durch eine schmale Tür verließ.
»Ihr tätet gut daran, Euch zu beeilen«, riet Evelyn hastig. »Für den Fall, dass Ihr sie verliert: Ihr Büro liegt ein Stück den Gang hinunter auf der linken Seite. «
Rebecca nickte und tat wie ihr geheißen. Als sie den Korridor betrat, der anscheinend zu den Privatgemächern der Herzogin gehörte, war weit und breit nichts von Lady Sarah zu sehen. Glücklicherweise hatte sie die Tür zu ihrem Büro offen gelassen.
»Hier herein! «, rief Sarah streng, um zu vermeiden, dass Rebecca das private Schlafgemach der Herzogin
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