Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
hindurch. Schriftstücke jedweder Art müssen mir persönlich überreicht werden«, erklärte Nigel. »Nein, am besten ist es, wenn wir bei unserem ursprünglichen Plan bleiben und auf Rupert als Mittelsmann zurückgreifen. Da die Damenwelt sich seine Klinke in die Hand gibt, würde es nicht weiter auffallen, wenn Ihr zu ihm ginget. Hinzu kommt, dass es unter Umständen sein kann, dass ich noch heute außer Landes reise. «
Als Nigel Rupert erwähnte, wurde Rebecca ganz flau im Magen. Um ihre Verlegenheit zu überspielen, fragte sie: »Werdet Ihr lange fort sein? «
»Das lässt sich im Vorhinein schlecht sagen. «
Ehe er sich zum Gehen wandte, warf Nigel noch einen letzten Blick um den Baumstamm herum. »Sie sind fort«, stellte er seufzend fest. »Ich habe gehofft, Rupert noch unter vier Augen sprechen zu können. Bedauerlicherweise rinnt mir die Zeit durch die Finger«, bemerkte er und zog einen Briefumschlag aus seiner Jackentasche. »Dies wollte ich unserem gemeinsamen Freund geben. Wäret Ihr so freundlich, ihm diesen Brief zu überreichen? Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr ihm im Rahmen von Feierlichkeiten begegnet, ist um einiges höher als bei mir. «
Rebecca kicherte, als Nigel sich entfernte. Dachte er allen Ernstes, sie wüsste nicht, dass dies ein Test war, dass er sich bei Rupert erkundigen würde, ob der Brief ihn mit unversehrtem Wachssiegel erreicht hatte? Als ob sie sich um den Inhalt des Umschlages scherte! Auf der anderen Seite durfte sie nicht vergessen, dass Nigel Jennings ein Spion war, dass Misstrauen zu seinem Metier gehörte. Genau wie sie einen Beweis für seine Ehrbarkeit verlangte, strebte er nach einem Beweis für die ihre.
Und dann legte sich ein breites Lächeln auf Rebeccas Gesicht. Nigel hatte sie nicht nur einem Test unterzogen, sondern ihr auch einen handfesten Grund geliefert, sich Rupert zu nähern.
Kapitel 15
Übelgelaunt verließ Rebecca die Gemächer der Herzogin, um sich für das Gala-Abendessen fertigzumachen. Sie war so flink aus der Tür getreten und hatte sich nach rechts gewandt, dass sie Rupert nicht bemerkte, der linker Hand an die Wand gelehnt stand.
Rebecca hatte sich eingeredet, sie würde nur deshalb jetzt schon in ihr Gemach zurückkehren, damit Flora genügend Zeit blieb, um sie und Elizabeth für den heutigen Abend zu frisieren. Wenn sie jedoch ehrlich zu sich selbst war, wollte sie lediglich wissen, ob ihre Zimmergenossin dort aufgetaucht war, nachdem sie sich nicht mehr in den Gemächern der Herzogin hatte blicken lassen.
Die Vorstellung, Rupert und Elizabeth säßen in trauter Zweisamkeit an einem lauschigen Plätzchen und tauschten Küsse aus - oder gingen sogar noch weiter -, machte sie rasend.
»Euch aufzuspüren ist gar nicht so einfach. «
Als Rebecca Ruperts Stimme erkannte, wäre sie um ein Haar über den Saum ihres Kleides gestolpert. Ihr Kopf flog herum. Er lief neben ihr. Rebecca nahm sich vor, nicht immer mit Benommenheit auf seine Anwesenheit zu reagieren. Eine selten dämliche Angewohnheit, wenngleich es die letzten Male bereits besser geworden war. Aber sie reagierte längst noch nicht so gelassen, wie sie es gern hätte.
Sein unerwartetes Erscheinen warf allerdings die Frage auf, ob er die ganze Zeit vor den Gemächern der Herzogin herumgelungert hatte, um Elizabeth abzufangen. Es war denkbar, dass die beiden doch nicht den ganzen Nachmittag miteinander verbracht hatten - eine Vorstellung, die Rebeccas Laune ein wenig besserte.
Dass er auf sie gewartet haben könnte, schloss sie direkt aus. »Unsinn! «, gab sie zurück und setzte ihren Weg fort. »Wenn Ihr mich hättet sprechen wollen, warum habt Ihr dann nicht einfach an die Tür geklopft? «
»Nein, das kam nie in Betracht. «
»Weshalb nicht? «
»Aus demselben Grund, warum wir letzte Nacht nicht weitertanzen konnten, weil die meisten Höflinge dem Tratsch verfallen sind. «
Rebecca glaubte ihm kein Wort. Ein Schürzenjäger wie er hatte doch Narrenfreiheit. Niemand konnte überschauen, wann er sich wo mit wem zu einem Stelldichein traf. Sie hatte vielmehr den Eindruck, dass er ihr Treffen vor Elizabeth geheim halten wollte. Womöglich war das auch der Grund dafür, warum Elizabeth sich bei ihrem heimlichen Rendezvous in der Laube so echauffiert hatte: Sie hatte Rupert die Leviten gelesen, weil er es gewagt hatte, mit Rebecca zu tanzen.
Am Ende des Korridors angekommen, bog Rebecca um die Ecke. Je länger Rupert neben ihr lief, desto nervöser wurde sie.
Um sich selbst
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