Reid 3 Ungezähmte Sehnsucht
Seite nach Norford. Natürlich tat es mir weh, dass er vergeben war, aber ich dachte nicht eine Sekunde daran, wie und mit wem ich ihn ersetzen könnte. Wenn Ihr es genau wissen wollt, habe ich mich darauf gefreut, gemeinsam mit anderen Debütantinnen die Saison in London zu verleben. Bis es meiner Mutter gelungen war, mir eine Anstellung im Palast zu besorgen. «
»Wäre ja auch ein Wunder, wenn Ihr keine Erklärung parat gehabt hättet«, erwiderte Rupert spöttisch.
Rebecca erkannte, dass sie genauso gut mit der Wand hätte sprechen können. Egal, was sie sagte, er hatte sich in den Kopf gesetzt, ihr kein Wort zu glauben. In seinen Augen war sie eine hinterhältige Schlange, die ihn mit dem ältesten Trick der Menschheit in die Ehe gelockt hatte. Dass er nicht ganz unschuldig an ihrem Zustand war, schien ihm entfallen zu sein. Außerdem war es nicht ihr Fehler, dass er atemberaubend attraktiv war. Nein, Rupert hatte sich darauf eingeschossen, dass sie die ganze Zeit über darauf aus gewesen war - koste es, was es wolle -, sich in seiner Familie einzunisten.
Und wieder einmal war es ihm gelungen, dass seine Wut auf sie übersprang, sodass ihr kaum etwas anderes übrigblieb, als zum Gegenschlag auszuholen.
»Ausgemachter Blödsinn! «, schnaubte sie. »Warum sollte ich mir im Vorfeld eine Entschuldigung parat legen? Habt Ihr nicht selbst gesagt, dass ich gerissen genug bin, um jederzeit mit einer Lüge aufzuwarten? Denkt einmal darüber nach, Ihr unsäglicher Besserwisser! «
Kaum hatte Rebecca zu Ende gesprochen, duckte sie sich unter Ruperts ausgestrecktem Arm hinweg und stürzte aus dem Raum, ehe er sie daran hindern konnte. Sengende Tränen brannten unter ihren Lidern. Ihr war allerdings schleierhaft, woher sie rühren mochten. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass er ihr ins Gesicht gesagt hatte, was er von ihr hielt.
Kapitel 41
Rebecca wartete bis zum frühen Nachmittag, ehe sie sich zum Mittagessen ins Erdgeschoss begab. Wenn es nach ihr ginge, hätte sie die Mahlzeit ausfallen lassen. Aber sie wollte nicht, dass ihr Ungeborenes unter ihrer Appetitlosigkeit zu leiden hatte. Sie wartete jedoch so lange, bis die Lockes sich wieder verabschiedet hatten. Obwohl sie nun ein Teil der Familie war, hatte ihr nach ihrem Zusammentreffen mit Rupert nicht der Sinn nach belanglosen Plaudereien bei Tisch gestanden. Sie hoffte inständig, dass die Köchin ihr einen Teller füllte, mit dem sie sich wieder in ihrem Zimmer verkriechen und sich in Selbstmitleid suhlen konnte.
Es war ihr jedoch nicht vergönnt, ungesehen in ihr Zimmer zurückzugelangen. Als Rebecca, einen Teller in der Hand, die ersten Stufen der Treppe erklommen hatte, öffnete sich hinter ihr die Haustür. In der Hoffnung, es könnte Flora mit ihren restlichen Habseligkeiten sein, drehte sie sich um. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie Julie gar nicht darüber informiert hatte, dass Flora ebenfalls ein Zimmer benötigen würde. Doch es war nicht ihre Magd, die durch die Tür trat, sondern ihre einstige Freundin Amanda Locke, die, als sie Rebecca erblickte, vor Freude ausrief: »Becky?! Was machst du denn hier? Hat Tante Julie dich etwa für die Dauer der Saison bei sich aufgenommen? Aber Moment mal, müsstest du nicht eigentlich im Palast sein? Das ist alles so aufregend! Ich habe gehört, dass du eine Anstellung am Hofe bekommen hast. Du, eine echte Hofdame! Du glaubst gar nicht, wie ich mich für dich gefreut habe! Obwohl ich anfänglich ein wenig neidisch war, wenn ich ehrlich bin. « Amanda kicherte in sich hinein. »Wieso bin ich eigentlich nie auf die Idee gekommen, mich darum zu bemühen, Hofdame zu werden? Die Vorstellung, dass die Königin mir dabei behilflich ist, einen Gemahl auszusuchen, ist gar nicht mal so schlecht - zumal ich bisher kein glückliches Händchen bewiesen habe. Ich bin jetzt schon in der dritten Saison. Ist das nicht zum Heulen? «
Rebecca lächelte verzagt. Amanda hatte sich kein bisschen verändert. Aus dem bildhübschen Mädchen war eine wunderschöne junge Frau geworden. Rebecca hätte sie überall wiedererkannt. Es war unglaublich, wie sie noch immer hundert Worte pro Minute sprechen und dabei noch eine ungeheure Bandbreite an Themen anschneiden konnte.
Im Kindesalter wären sie beinahe beste Freundinnen geworden, hatten sie doch Tür an Tür gelebt. Obwohl Amanda ein wenig älter als Rebecca war, hatte sie damals dieselben kindlichen Interessen verfolgt. Doch dann wurde sie eines schönen Tages auf ein
Weitere Kostenlose Bücher