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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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erstaunlich gut zu Abend – eins muß man den Franzosen lassen: sie wissen, wie man Pommes frites macht –, trank zwei Flaschen Stella Artois in einem Café, wo mich ein Philippe-Noiret-Doppelgänger mit Schlachthausschürze bediente, und zog mich früh in mein bescheidenes Hotelzimmer zurück, wo ich ein bißchen mit meiner Muschel-Madonna spielte, dann ins Bett ging und die Nacht damit verbrachte, den Autos zu lauschen, die auf der Straße unter mir zusammenkrachten.
    Am nächsten Morgen frühstückte ich zeitig, bezahlte meine Rechnung bei Gérard Depardieu – man erlebt doch immer wieder Überraschungen – und trat in einen weiteren verheißungsvollen Tag hinaus. Ausgerüstet mit einem unzulänglichen kleinen Plan, den man zur Fahrkarte für die Fähre dazubekam, machte ich mich auf den Weg zur Ablegestelle. Auf dem Plan schien es nicht weit zu sein, aber in Wirklichkeit war sie gut zwei Meilen entfernt am anderen Ende einer verwirrenden Wüstenei von Ölraffinerien, verfallenen Fabriken und weiten Brachflächen. Ich quetschte mich durch Löcher in Maschendrahtzäunen und umrundete verrostete Eisenbahnwaggons mit kaputten Fenstern. Ich weiß nicht, wie andere Menschen die Fähre in Calais erreichten, aber ich hatte das seltsame Gefühl, daß ich der erste war, der diesen Weg beschritt. Und die ganze Zeit, während ich so dahinlief, war mir unbehaglich bewußt – was sage ich? Panisch bewußt! –, daß die Abfahrtszeit näher rückte und die Ablegestelle zwar immer sichtbar war, aber eigentlich nie näher kam.
    Nachdem ich hakenschlagend über eine zweispurige Schnellstraße geflitzt und eine Böschung hochgekraxelt war, kam ich schließlich völlig außer Atem und in letzter Minute dort an. Ich sah aus wie jemand, der soeben ein Grubenunglück überlebt hat, und wurde in einen Pendelbus gesetzt. Dort machte ich eine Inventur meiner Besitztümer und entdeckte zu meiner stillen Bestürzung, daß meine geliebte und nicht gerade billige Madonna ihren Heiligenschein eingebüßt hatte und Muscheln abwarf.
    Schweißnaß und in gewisser Unruhe ging ich an Bord. Ich gebe freimütig zu, daß ich nicht seefest bin. Mir wird ja schon auf Tretbooten schlecht. Wenig förderlich war auch die Tatsache, daß ich mein Leben einer Reederei anvertraute, die einen alles andere als makellosen Ruf in Sachen »Bugklappen schließen« hatte – das seefahrerische Äquivalent dazu, etwas so Selbstverständliches zu vergessen, wie die Schuhe auszuziehen, bevor man in die Badewanne steigt.
    Das Schiff war gerammelt voll, lauter Engländer. In der ersten Viertelstunde wanderte ich herum und überlegte, wie sie hierhergekommen waren, ohne sich schmutzig zu machen. Ich zwängte mich auch kurz in das Polyesteranzug-Tohuwabohu, vulgo, den Duty-Free-Shop, war aber im Nu wieder draußen. Dann stromerte ich mit einem Tablett durch die Cafeteria, schaute mir das Essen an, brachte das Tablett umgehend wieder zurück (dafür gab es eine Schlange), suchte unter Horden quicklebendiger Gören nach einem Sitzplatz und fand mich schließlich auf dem windigen Deck wieder, wo sich 274 Menschen mit blauen Lippen und wehenden Haaren einzureden versuchten, daß es doch nicht kalt sein könne, wenn die Sonne schien. Der Wind peitschte gegen die Anoraks, daß es knallte wie Gewehrschüsse, schob kleinere Kinder im Affenzahn übers Deck und kippte zur heimlichen Genugtuung aller Anwesenden einer fetten Dame einen Plastikbecher Tee über den Schoß.
    Nach kurzer Zeit erhoben sich die Weißen Klippen von Dover aus dem Meer und begannen auf uns zuzukriechen, und im Handumdrehen, schien es, glitten wir in den Hafen von Dover. Während wir uns schwerfällig an den Kai schoben, instruierte eine Geisterstimme Passagiere ohne Auto, sich zum Steuerbordausgangspunkt auf Deck ZX-2 neben der Sunshine Lounge zu begeben – als könne sich irgend jemand irgend etwas darunter vorstellen –, und wir begaben uns auf lange, höchst individuelle Erkundungstrips durch das Schiff: Treppen hinauf und Treppen hinunter, durch eine Küche voller schuftender ostindischer Matrosen, zurück durch die Cafeteria und schließlich – ohne recht zu wissen, wie – hinaus in den einladenden, blassen Sonnenschein Englands.
    Begierig, Dover nach all den Jahren wiederzusehen, schlenderte ich über die Marine Parade ins Zentrum und erspähte mit einem kleinen Schrei des Entzückens das Buswartehäuschen, in dem ich damals geschlafen hatte. Es war von zirka elf weiteren giftgrünen

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