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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Neuankömmling und beginnen, ihn mit etwas, das ich Malhamdale-Winken nenne, zu begrüßen, wenn sie vorbeifahren. Das ist ein aufregender Tag im
    Leben des Zugereisten. Wenn Sie wissen wollen, wie das Malhamdale-Winken geht, tun Sie bitte einen Moment so, als hätten Sie ein Steuerrad in der Hand. Nun strecken Sie den Zeigefinger Ihrer rechten Hand ganz langsam aus, als hätten sie einen kleinen, unwillkürlichen Krampf. Das war’s. Es sieht nicht nach viel aus, aber es spricht Bände, glauben Sie mir. Ich werde es schmerzlich vermissen.
    In solcherlei Tagträumereien versunken, erwachte ich mit einem Ruck und merkte, daß ich schon in Settle war und meine Frau mir vom Bahnsteig aus zuwinkte. Plötzlich war meine Reise zu Ende. In einiger Verwirrung und als habe man mich mitten in der Nacht wegen eines Notfalls geweckt, eilte ich aus dem Zug und hatte das Gefühl, so dürfe die Reise nicht enden. Es war alles zu abrupt.
    Über die Berggipfel fuhren wir nach Hause, eine sechs Meilen lange, kurvenreiche Fahrt von unsäglicher Schönheit, hoch hinauf in die Sturmhöhen- Weiten um Kirkby Fell mit unendlichen Ausblicken und dann hinunter in die heitere, herrliche Talschüssel des Malhamdale, der kleinen versunkenen Welt, die sieben Jahre lang meine Heimat gewesen war. Auf halbem Weg nach unten bat ich meine Frau, an einem Weidengatter anzuhalten. Dort ist mein Lieblingsblick auf der ganzen Welt. Ich stieg aus. Man sieht fast das gesamte Malhamdale, behaglich geschützt von steilen, eindrucksvollen Bergen, mit den schnurgeraden Bruchsteinmauern, die sich unglaublich kühne Hänge hochziehen, den kleinen Weilern, dem wunderschönen, zweiräumigen Schulhaus, der alten Kirche mit den Ahornbäumen und kippenden Grabsteinen, dem Dach meines Pubs, und mitten drin, von Bäumen verdeckt, unser altes Steinhaus, das schon viel älter ist als mein Heimatland.
    Es sah so friedlich und schön aus, daß ich hätte weinen mögen, und dennoch war es nur ein winziger Teil dieser kleinen, bezaubernden Insel. In einem einzigen Moment begriff ich plötzlich, was ich an Großbritannien so liebe – alles. Jedes kleinste bißchen, das Gute und das Schlechte. Dorffeste, enge Landstraßen, Leute, die »Es tut mir furchtbar leid, aber« sagen, und solche, die sich bei mir entschuldigen, wenn ich sie achtlos mit dem Ellenbogen k.o. schlage, Milch in Flaschen, weiße Bohnen auf Toast, Heuernte im Juni, Brennesseln, Piers in Seebädern, topographische Karten, obligatorische Wärmflaschen, vernieselte Sonntage – jedes kleinste bißchen.
    Was für ein herrliches Land – total bekloppt natürlich, aber über alle Maßen hinreißend. Wo sonst würde man Ortsnamen wie Tooting Bec und Farleigh Wallop aushecken oder ein Spiel wie Cricket, das drei Tage dauert und nie anzufangen scheint. Wer würde es nicht im geringsten komisch finden, daß die Richter kleine Mops auf dem Kopf tragen müssen, der Sprecher des Oberhauses auf einem mit Wolle ausgestopften Kissen sitzen muß, das Woolsack heißt, oder daß man stolz auf einen Kriegshelden ist, dessen letzter Wunsch es war, von einem Burschen namens Hardy geküßt zu werden. (»Bitte, Hardy, richtig auf die Lippen mit einem winzigen bißchen Zunge.«) Welche andere Nation der Welt hätte uns William Shakespeare, Schweinepastete, Christopher Wren, Windsor Great Park, die Open University und den Schokoladenvollkornkeks geschenkt? Keine natürlich.
    Wie leicht gerät uns das alles aus dem Blick. Vor welche Rätsel wird Großbritannien die Historiker stellen, wenn sie auf die zweite Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zurückblicken. Hier ist ein Land, das einen anständigen Krieg gekämpft und gewonnen, ein riesiges Empire prinzipiell vernünftig und aufgeklärt demontiert, einen weitsichtigen Sozialstaat geschaffen, kurz, fast alles richtig gemacht hat – und dann den Rest des Jahrhunderts damit verbringt, sich selbst als chronischen Versager zu betrachten. Tatsache ist, für die meisten Dinge ist es immer noch das beste Land der Welt – um einen Brief aufzugeben, einen Spaziergang zu machen, fernzusehen, ein Buch zu kaufen, auf einen Drink auszugehen, ein Museum zu besuchen, was auf der Bank zu erledigen, sich zu verirren, Hilfe zu suchen oder an einem Berghang zu stehen und den Ausblick zu genießen.
    Das alles begriff ich in der Spanne eines langen, innigen Augenblicks. Ich habe es schon gesagt und kann es nur wiederholen: Mir gefällt es hier. Es gefällt mir hier besser, als ich Ihnen sagen kann. Ich

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