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Reif für die Insel

Reif für die Insel

Titel: Reif für die Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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aussah. Schlag zehn Uhr stand ich auf der Schwelle derjenigen, auf die meine Wahl gefallen war. Ich sah mich vor, keine Milchflaschen über den Haufen zu rennen. Es war ein kleines Hotel. Besser gesagt, eine Familienpension.
    Ich kann mich an den Namen nicht erinnern, aber an die Besitzerin sehr wohl! Mrs. Smegma war eine mächtige Gestalt Ende Vierzig. Sie zeigte mir ein Zimmer, nahm mich mit auf einen Rundgang durch das Etablissement und erläuterte mir die vielen komplizierten Regeln des Hauses – wann das Frühstück serviert wurde, wie man den Badeofen anstellte, zu welchen Tageszeiten man die Räumlichkeiten verlassen mußte und während welch kurzer Zeitspanne es erlaubt war, zu baden (komisch, sie schienen beide zusammenzufallen), wie lange vorher man ankündigen mußte, wenn man einen Telefonanruf zu empfangen oder nach zweiundzwanzig Uhr nach Hause zu kommen gedachte, wie das Klo gespült und die Klobürste benutzt wurde, welche Materialien in den Zimmerpapier-korb durften und welche penibelst draußen in den Mülleimer entsorgt werden mußten, an jeweils welchen Stationen man sich beim Eintritt die Füße abputzen mußte, wie die kleine Gasheizung mit den drei Heizstäben im Zimmer in Betrieb zu nehmen sei, und wann das überhaupt nur erlaubt war (bei einer Eiszeit). Das war alles verwirrend neu für mich. Wo ich herkam, nahm man ein Zimmer in einem Motel, verbrachte dort zehn Stunden damit, eine riesige, möglichst irreparable Schweinerei anzurichten, und fuhr am nächsten Morgen wieder ab. Hier war es ja, als träte man in die Armee ein!
    »Die Mindestaufenthaltszeit«, erklärte Mrs. Smegma mir, »beträgt fünf Nächte zu einem Pfund die Nacht, inklusive englischem Frühstück.«
    »Fünf Nächte?« fragte ich, ein wenig nach Luft schnappend. Ich wollte ja nur eine bleiben. Was, um alles in der Welt, fing ich fünf Tage in Dover an?
    Mrs. Smegma zog eine Braue hoch. »Hatten Sie die Absicht, länger zu bleiben?«
    »Nein«, sagte ich. » Nein. Eigentlich –«
    »Gut, fürs Wochenende haben wir nämlich eine Gruppe schottischer Pensionäre hier. Das wäre schwierig geworden. Ja, völlig unmöglich.« Sie musterte mich kritisch (wie einen Flecken im Teppich?) und überlegte, womit sie mir sonst noch das Leben vermiesen konnte. Sie wurde fündig. »Ich muß gleich weggehen, darf ich Sie also bitten, Ihr Zimmer in einer Viertelstunde zu verlassen?«
    Wieder war ich baff. »Entschuldigung, Sie wollen, daß ich gehe? Ich bin doch gerade erst gekommen.«
    »Laut Hausordnung können Sie um vier zurückkommen.« Sie schickte sich an zu gehen, drehte sich indes noch einmal um.
    »Ach, und seien Sie bitte so nett, jeden Abend Ihren Überwurf abzunehmen. Wir hatten leider ein paar unangenehme Vorkommnisse mit Flecken. Wenn Sie den Überwurf beschädigen, muß ich Sie dafür haftbar machen. Dafür haben Sie ja sicher Verständnis.«
    Ich nickte dümmlich. Und weg war sie. Da stand ich, müde und ganz allein auf der Welt. Ich hatte eine fürchterlich unbequeme Nacht im Freien hinter mir, und mir taten sämtliche Knochen weh. Weil ich auf Schraubenköpfen geschlafen hatte, war ich von oben bis unten zerdellt, und meine Haut war leicht geölt vom Schmutz und Schmier zweier Nationen. Bis dahin hatte mich der Gedanke aufrecht gehalten, daß ich mich gleich in einem heißen Bad entspannen und danach in ein pludriges Federbett kriechen und vierzehn Stunden tief und friedlich ratzen konnte.
    Während ich also dastand und allmählich begriff, daß mein Alptraum nicht etwa zu Ende war, sondern gerade erst begann, öffnete sich die Tür. Mrs. Smegma marschierte durchs Zimmer zu der Neonröhre über dem Waschbecken. Sie hatte mir die korrekte Bedienungs-methode gezeigt – »Bloß nicht daran zerren. Einmal leicht ziehen reicht völlig aus« – und erinnerte sich offensichtlich daran, daß sie sie angelassen hatte. Nun machte sie sie mit einem, wie ich fand, heftigen Zerren aus, bedachte mich und das Zimmer mit einem letzten argwöhnischen Blick und entfernte sich.
    Als ich sicher war, daß sie wirklich weg war, verriegelte ich leise die Tür, zog die Vorhänge zu und pinkelte ins Waschbecken. Dann holte ich mir ein Buch aus dem Rucksack, blieb eine lange Minute an der Tür stehen und musterte die ordentliche, unvertraute Einrichtung meines einsamen Zimmers.
    »Und was, verdammte Scheiße, ist ein Überwurf?« fragte ich mich mit dünner, unglücklicher Stimme und machte leise meinen Abgang.
     
    Im Frühjahr 1973 war

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