Reigen des Todes
drehen und anschließend einfügen?«
»Freilich kann man das. Das nennt man Schneiden. So werden verschiedene Szenen aneinandergereiht. So kann man zum Beispiel auch eine Nahaufnahme in eine gedrehte Szene einfügen. Aber warum fragst mich das, Steffi?«
»Ich hab da so eine Idee … Von einer Nahaufnahme. Jetzt, wo die anderen draußen sind, könntest du doch noch eine Nahaufnahme von meinen Schenkeln machen. Das wär doch ganz besonders erotisch.« Und dann beugte sie sich zu ihm und hauchte in sein Ohr: »Ich bin heute nämlich sans culotte 71 unterwegs.«
XI/3.
Anastasius Schöberl war unglücklich. Und er war glücklich. Ein Paradoxon, das sich infolge der jüngsten Ereignisse ergeben hatte. Seit die Steffi Moravec im Atelier der Saturn-Film ein und aus ging, war in Schöberls Innerem ein hässlicher Verdacht gewachsen. Zuerst war es nur ein giftiges kleines Pflänzchen, das aber durch kräftiges Zutun der Moravec blitzschnell größer und größer wurde. Das lose Weib, wie Schöberl sie heimlich nannte, war drauf und dran, seinem Freund Hans Popovic das Herz zu brechen. Ja, der Hansi war wirklich ein Freund für ihn geworden. Nicht nur eine Sauffreundschaft war das. Sie arbeiteten miteinander, bauten Kulissen, schauten, dass alles für die Dreharbeiten da war, suchten Mädchen aus und putzten auch gemeinsam das Atelier. Johann Schwarzer war ein äußerst angenehmer Chef. Er ließ die beiden machen, denn er sah, dass seine Firma plötzlich wie am Schnürchen lief. Er nutzte den gewonnenen Freiraum und kümmerte sich intensiv um die Vermarktung beziehungsweise um das Verleihwesen. Er hatte zahlreiche Termine außer Haus, und wenn er zurückkam, hatte er meist einige neu unterschriebene Verträge in der Tasche. Die Drehbücher wurden von Schwarzer, Popovic und Schöberl in Form eines Kaffeeplausches am Küchentisch des Ateliers entwickelt. Das war meist eine Sache von einer halben bis einer drei viertel Stunde. Danach kümmerten sich Popovic und Schöberl um die Vorbereitungen des neuen Drehs: Die Mädels und die männlichen Darsteller wurden ausgesucht, die Kulissen gebaut und das nötige Filmmaterial beschafft. Und weil alles so gut lief, war Schwarzer auch überaus großzügig. Er ließ Schöberl auf dem alten Diwan seines Arbeitszimmers übernachten, zahlte ihm wöchentlich einen ordentlichen Lohn und hatte ihm heute sogar Geld für Kleidung und Schuhe gegeben. Mit dem gebrauchten, aber erstklassig aussehenden Anzug sowie den ebenfalls gebrauchten, aber bequem eingegangenen Schuhen, die er in Begleitung von Popovic bei einem der besseren Fetzentandler 72 erstanden hatte, fühlte er sich wie ein normaler Bürger. Und um das Griasler-Dasein vollkommen abzustreifen, zog es ihn nun zu einem Friseur, der ihm den an manchen Stellen schon angegrauten Bart sowie die viel zu langen Haare in Façon bringen sollte.
»Komm, Hansi! Komm mit zum Friseur. Damit die Steffi ein fesches Mannsbild zum Verlobten hat.«
»Geh, lass mich in Ruh! Der bin ich doch eh schon wieder vollkommen wurscht.«
»Musst dich halt zusammenreißen, Hansi. Lass dich rasieren und lass dir die Haare schneiden. Dann kaufst einen Blumenstrauß und bringst ihn der Steffi mit ins Atelier. Nachher nimm dir einfach frei und geh mit ihr essen. Ich kümmer mich allein um die Kulissen, die wir morgen beim Dreh brauchen. Ich mach das schon …«
»Das ist lieb von dir. Aber ich weiß ja gar net, ob die Steffi überhaupt im Atelier ist. Wahrscheinlich ist sie mit dem Schwarzer unterwegs. Der wird sie zum Essen einladen. Und nachher hüpfen s’ miteinander ins Bett. Meine Verlobte und mein Chef …«
Schöberl sah, wie Popovic mit den Tränen kämpfte. Er schlug ihm aufmunternd auf die Schultern und sagte mit gespielter Fröhlichkeit: »Weißt was? Ich pfeif auf den Friseur. Gemma lieber was trinken. Das bringt dich auf andere Gedanken.«
»Na, ich will net. Geh du nur zum Friseur, ich schau inzwischen ins Atelier. Vielleicht ist die Steffi da … Vielleicht kann ich mit ihr reden. Komm, geh jetzt zum Friseur!« Und mit einem traurigen Grinsen fügte er hinzu: »Lass dich verschönern, Stasi. Damit du bei den Mädeln einen guten Eindruck machst …«
Und weil Popovic augenscheinlich allein sein wollte, ging Schöberl zu einem kleinen Friseur in der Leopoldstadt, dessen Geschäft gleich neben dem Fetzentandler lag. Mit einer gewissen Scheu setzte er sich in den Rasierstuhl, doch der Inhaber, ein alter Jude, verzog keine Miene und bediente ihn
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