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Reigen des Todes

Reigen des Todes

Titel: Reigen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Mörderin fiel in den mit Sägespänen ausgefüllten vorbereiteten Korb. Ein Blutstrahl spritzte auf … Unmittelbar darauf trat der Scharfrichter an den Vorsitzenden der Gerichtskommission heran, um ihm zu melden, dass der Gerechtigkeit Genüge geschehen sei. Lautlos entfernte sich das Publikum.
    Schöberl ließ die Zeitung sinken und starrte ins Leere. Plötzlich hörte er eine bekannte Stimme. »Na, ist denn das die Möglichkeit? Der Schöberl sitzt nicht mehr in der Suppen- und Teeanstalt, sondern im Landtmann. Sachen gibt’s …«
    Schöberl bekam einen roten Schädel. Doch Leo Goldblatt lenkte begütigend ein. »Sie erlauben, mein Bester, dass ich mich zu Ihnen setze? Sie müssen schon verstehen, dass mich die Verwandlung, die Sie so plötzlich durchgemacht haben, verblüfft. Darf ich Sie auf einen ›Goldblatt‹ einladen? Wie geht’s Ihnen denn? Recht gut, wie mir scheint.«
    Noch immer verlegen murmelte Schöberl: »Der Herr Redakteur … was tun denn Sie da?«
    »Na entschuldigen Sie! Das ist mein Stammcafé. Hier bin ich mehr zu Haus, als bei mir daheim in meiner Wohnung. Schaun Sie! Da kommt gerade ein guter Bekannter, der Doktor Freud.« Goldblatt winkte einem mittelgroßen, elegant gekleideten Herren mit sorgfältig gestutztem Bart und seitlich gescheiteltem Haar zu, der nun ebenfalls an Schöberls Tisch kam. »Darf ich vorstellen? Das ist der Professor Freud. Eine Kapazität bei der Erforschung von Seelen und allen nur denkbaren psychischen Zuständen sowie nervlichen Erkrankungen. Und das hier ist der Herr Schöberl, ein alter Bekannter, den ich noch von früher aus meiner Zeit im Café Sperl kenne.«
    Freud setzte sich zu den beiden Männern an den Tisch und fragte, ob er eh nicht störe. Schöberl versicherte ihm, dass das nicht der Fall sei. Im Gegenteil, er war froh, dass Goldblatt von seinem ursprünglichen Thema abgelenkt wurde. Freud warf einen forschenden Blick auf die von Schöberl zur Seite gelegte Zeitung. »Schrecklich, so eine Hinrichtung. Diese Menschen sind seelisch krank. Statt sie hinzurichten, sollte man versuchen, sie zu heilen.«
    »Und Sie glauben, dass das funktioniert?«
    Freud bestellte einen Kaffee, fixierte dann Schöberl mit seinen ernsten Augen und antwortete: »Ich habe da eine Methode entwickelt – die Psychoanalyse. Mit ihr kann ich Menschen, die psychische Probleme haben, helfen. Es ist noch eine recht junge Wissenschaft. Aber die Behandlungen, die ich durchführe, sind durchaus interessant und vielversprechend.«
    Goldblatt rutschte ungeduldig auf seiner Sitzbank hin und her. »Herr Professor, wir sind hier nicht auf der Uni. Und schon gar nicht in Ihrer Ordination in der Berggasse. Also lassen wir doch bitte dieses Thema! Mich würde vielmehr interessieren, haben Sie Lust auf eine Runde Tarock? Wir müssten nur noch einen Vierten finden.«
    Doktor Freud erwähnte, dass ihm zwei Patienten überraschend abgesagt hätten und dass er nun den Nachmittag frei habe. Also stünde einer Tarockrunde nichts im Wege. Und auch der vierte Mann fand sich bald: Es war der Landtmann-Cafetier Wilhelm Kerl.
    Als nach einigen Runden das Eis gebrochen war, fragte Schöberl den Professor: »Sagen Sie, würden Sie auch jemanden behandeln, der völlig abhängig von einer Frau ist? Der all ihre Launen erträgt, sich von ihr verstoßen und wieder zurücknehmen lässt und der ihr willenlos ergeben ist?«
    Freuds braun glänzende Augen schauten Schöberl forschend an. Leise fragte er: »Haben Sie dieses Problem?«
    Schöberl lachte. »Nein, zum Glück nicht. Es geht um einen guten Freund, dem ich sehr viel verdanke. Und der, wie mir scheint, in eine fürchterliche Leidenschaft verstrickt ist.«
    Freud schmunzelte. »Na, dann schicken S’ ihn doch einfach bei mir vorbei – in meine Ordination, in der Berggasse 19. Hat er übermorgen Nachmittag – so um drei Uhr – Zeit?«
    Schöberl dachte kurz nach. Übermorgen war Freitag. Da mussten die morgen gedrehten Filme belichtet werden. Dafür würde Schwarzer den ganzen Tag in der Dunkelkammer verbringen. Eine Arbeit, bei der er nicht gestört werden wollte. Das bedeutete, dass sowohl Schöberl selbst als auch der Hans Popovic frei hatten. Als er das überlegt hatte, sagte er dem Doktor Freud zu. Eine Stunde später, nach dem Ende der Tarockrunde, bei der er übrigens eine Krone gewonnen hatte, ging er zügigen Schrittes zurück ins Atelier. Dabei plagte ihn nur ein Gedanke: Wie bringe ich den Hansi zum Professor Freud?

XII/3.
    Etwas

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