Rein Wie Der Tod
Tunneldecke, die schnell auf Grün sprang. Er ließ den Wagen im zweiten Gang den Berg hinunterrollen. Fuhr vorbei an Graffiti-Kopien von Munchbildern. Der Tunnel schlängelte sich Kurve um Kurve tiefer in den Berg hinein. Schließlich endete die Straße auf einem asphaltierten Platz. Hier stand noch ein anderer Wagen, ein dunkler Volvo.
Gunnarstranda stieg aus. Es stank. Der Geruch war nicht direkt eklig, nur unangenehm. Die arbeitenden Maschinen dröhnten, und darüber schwebte noch ein anderes, aggressiveres Geräusch.
Am Ende des Platzes prangte ein riesiges verbolztes Stahltor. Näher an der Tunnelöffnung führte eine Anlage mit Kränen und Treppen in den Berg hinein. Hier, in einer tiefen Grube, waren sechs riesige blaue Maschinen in einer Reihe montiert. Von ihnen ging das aggressive Geräusch aus. Alle Maschinen waren an den Boden genietet. Jede Befestigung war mit massiven Stahlstangen verstärkt. Gunnarstranda kletterte auf eine Metallbrücke, die über die Maschinengrube führte. Da entdeckte er Fransgård hinter einer Maschine - ein hagerer, sehniger Typ in einer grünen Neonweste mit einem blauen Helm.
»Fransgård ?«
Der Mann wirbelte herum und kletterte die Leiter hinauf. Sie gaben sich die Hand.
Gunnarstranda rief laut, um durch den Lärm gehört zu werden. »Das hier ist also der Pumpensumpf?«
Fransgård nickte. »Hinter der Wand ist ein riesiges Bassin. Hier wird der größte Teil des Abwassers aus der Stadt gesammelt. Diese sechs Pumpen bringen das Abwasser dreißig Meter höher zu einer gewaltigen Rohrleitung, die in einem natürlichen Gefälle von hier bis nach Slemmestad führt.«
Sie standen eine Weile stumm da und betrachteten die blauen Pumpen.
»Sie haben ja schon mit Frølich gesprochen«, sagte Gunnarstranda schließlich.
Fransgård nickte.
»Da Sie beide sich von früher kennen, müssen Sie wohl auch ein paar Worte mit mir reden - obwohl das sicher nicht das ist, wozu Sie jetzt am meisten Lust haben. Wollen wir irgendwo hingehen, wo nicht so viel Lärm ist?«
»Natürlich.«
»Mein Auto«, sagte Gunnarstranda, ging hinunter und hielt ihm die Tür auf.
»Sind Sie hier für die Wartung zuständig?«, fragte er, nachdem er sich hinter das Steuer gesetzt hatte.
»Ich bin eher der Libero«, sagte Fransgård . »Projektleiter. Ich bin überall, wo es Abwasser gibt.«
Gunnarstranda nickte und fand, dass sie genug Konversation betrieben hatten. »Was glauben Sie eigentlich, was an diesem Abend passiert ist?«, fragte er, und ihm fiel ein, dass er den Mann auf dem Handy angerufen hatte. Empfang auch sechzig Meter unter der Erde. Nicht schlecht. Als die Antwort auf sich warten ließ, drehte er sich zu Fransgård herum, der seinen Helm abnahm.
»Es ist nicht angenehm, darüber zu reden.« Fransgård fischte eine Dose Schnupftabak aus der Tasche und legte sich eine Prise unter die Oberlippe. Wischte sich die Finger ab, steckte die Dose wieder in die Tasche, saß mit schnabelförmigem Mund da und dachte nach.
»Alle Menschen gehen mit unterschiedlichen Erwartungen und Voraussetzungen in Beziehungen«, begann er dann schließlich. »Man respektiert den Partner, glaubt, dass man ihn oder sie kennt. Die Gefühle sind das alles beherrschende Thema. Man definiert es als Liebe. Tiere haben es da leichter als wir, Gunnarstranda. Sie sind in einer bestimmten Zeit im Jahr brünstig, und das war's dann. Aber wir Menschen gehen sozusagen zwei Wege gleichzeitig, wenn wir eine Beziehung eingehen. Der eine Weg ist von Gefühlen geleitet. Der andere Weg ist der rationale, der von Alltag, Arbeit und Routinen bestimmt ist. Man findet eine Form für die Beziehung, über einige Themen spricht man ganz offen, über andere Dinge spricht man gar nicht. Das hat sicher immer mit der eigenen Persönlichkeit zu tun. Für manche ist es ganz natürlich, mit allem ganz offen umzugehen. Ich habe eine Cousine, die überhaupt kein Problem damit hat, wildfremde Menschen bei Festen mit Details über ihre Hämorrhoiden zu quälen. Manche finden das abscheulich, andere steigen in ein Gespräch ein und finden das Thema interessant und natürlich. Ein anderes Beispiel - einer meiner Kollegen hatte eine fast hysterische Offenheit gegenüber seiner Partnerin. Sie haben gemeinsam gewirtschaftet, er bestand darauf, dass sie Zugang zu seinem Konto haben sollte, dass sie seine Briefe lesen sollte. Und er verlangte natürlich die gleiche Offenheit auch von ihr. Am Ende hat sie es nicht mehr ausgehalten und sich eine eigene
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