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Rein Wie Der Tod

Rein Wie Der Tod

Titel: Rein Wie Der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl
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Augen vor dem feinen Rauchstreifen zu schützen, der von der Zigarette in seinem Mundwinkel aufstieg. Der Anblick beeindruckte den befreiten Nikotinsklaven Gunnarstranda so sehr, dass er meinte, ihn kommentieren zu müssen.
    »Wer heutzutage raucht, steht meistens an einer Straßenecke oder auf seiner eigenen Veranda und friert. Ich dachte, Drinnenraucher gehörten mittlerweile zu einer aussterbenden Spezies. Sie sind sicher nicht verheiratet, oder?«, schloss der Polizist. »Da Sie sich solche Freiheiten erlauben können.«
    Valeur nahm die Zigarette aus dem Mund. »Und wer sind Sie?«, fragte er ärgerlich.
    »Gunnarstranda, Kriminalpolizei Oslo, Dezernat für Gewalt- und Sittlichkeitsdelikte.«
    Der Psychologe sah ihm sekundenlang in die Augen, bevor er wortlos zur Seite trat und ihn eintreten ließ.
    Die Geräuschkulisse im Wohnzimmer erinnerte Gunnarstranda an die 60er Jahre. Ein flacher Couchtisch war mit Katalogen und Ordnern bedeckt. »Entschuldigen Sie die Unordnung.« Valeur griff nach einer Fernbedienung und schaltete die Musik leiser. »Ich bin Sammler, verstehen Sie.«
    Die Wohnung bestand aus einem großen Raum mit Balkons an beiden Enden. Die breiten Fenster mit den Schiebetüren schufen eine helle und angenehme Atmosphäre. Gunnarstranda trat an ein Fenster und stellte fest, dass die Nachbarn einen guten Einblick hatten.
    »Schlager«, sagte Valeur und begann, die Ordner und Hefte wegzuräumen. »Die Top Twenty aus Großbritannien, USA und - natürlich auch aus Norwegen.« Er hob einen abgegriffenen Katalog in die Höhe. »Das hier sind die Zehn-Besten-Listen angefangen von 1960 bis zum Ende dieser Sendung.«
    »Und was hören wir gerade?«
    »Pretty Flamingo mit Manfred Mann. Hat im April 1966 als Nummer achtzehn in den Top Twenty angefangen, nach zwei Wochen - am achtzehnten Mai war Pretty Flamingo auf Platz eins und hat die Position drei Wochen lang gehalten, bevor es wieder abrutschte und nach neun Wochen verschwand. In Norwegen ist der Song direkt auf Platz drei der Top Ten eingestiegen, am dritten Juni, hat zunächst die Position gehalten, ist dann aber auf den sechsten Platz gerutscht und danach unter die ersten zehn. Es waren schließlich Ferien. Ich habe schon immer für Manfred Mann geschwärmt und bin sicher, der Song hätte besser abgeschnitten, wenn sie ihn früher lanciert hätten.«
    Der Raum war für LPs eingerichtet. Die beiden fensterlosen Wände waren mit Regalen bedeckt, in denen dicht an dicht ältere 45er-Singles standen: schwarze, mit und ohne Cover, ein paar grüne, auch ein paar rote.
    »Meine Leidenschaft, ganz einfach«, erklärte Valeur, »die Songs ergattern, auf der Liste abhaken. Menschen sind Herdentiere, das wissen Sie ja, schließlich sind Sie Polizist. Aber es gibt Kulturunterschiede. In manchen Jahren ist der Musikgeschmack in den USA und England völlig unterschiedlich, und es ist interessant zu sehen, um welche Unterschiede es geht. Ein spezifisch norwegisches Phänomen ist die Zehn-Besten-Liste des staatlichen Radios, weil die von der Bevölkerung nach ihrem persönlichen Geschmack gewählt wurde. Entscheidend für die Platzierung auf der Liste war also das Erleben des Augenblicks. Nicht die Verkaufszahlen. Das ist einzigartig. Wie war noch gleich Ihr Name?«
    »Gunnarstranda.«
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Vor ein paar Jahren hatten Sie eine Patientin namens Signe Herring.«
    Valeur holte tief Luft und schien irritiert. »Nun sagen Sie bloß nicht, dass die Polizei in Oslo jetzt an dem Fall arbeitet?«
    »Ihr Name ist aufgetaucht.«
    »Aufgetaucht? Mein Name?«
    »Sie war Ihre Patientin?«
    Valeur betrachtete Gunnarstranda prüfend. Schließlich schien er einen Beschluss gefasst zu haben.
    »Sie hatte Essstörungen. Anzeichen von Anorexie. Ihre Sportlehrerin hatte sich darum gekümmert. Ihr Gewichtsverlust war groß, aber nicht alarmierend. Ich habe damals in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet. Ein paar Wochen nachdem sie ermordet wurde, habe ich mit einem Menschen von der Kripo telefoniert. Ich weiß nicht einmal mehr, ob es ein Mann oder eine Frau war. Jedenfalls war die Frage, ob ich einen Tipp hätte, ob ich etwas wüsste über heimliche Geliebte oder ob das Mädchen vor bestimmten männlichen Wesen Angst gehabt hätte. Ich weiß kaum noch, was ich geantwortet habe. Das Gespräch hat nicht einmal zwei Minuten gedauert.« Er schnappte ärgerlich nach Luft. »Und jetzt sagen Sie, mein Name sei aufgetaucht?«
    »Kennen Sie einen Mann namens

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