Rein Wie Der Tod
Sivert Almeli?«
Valeur schüttelte den Kopf.
Gunnarstranda griff in seine Tasche und legte die drei Fotos auf den Tisch, die Almeli heimlich aufgenommen hatte.
»Na so was!«, sagte der Psychologe überrascht. Den Blick auf die Fotos gerichtet drückte er seine Zigarette in einem runden, gut gefüllten Aluminiumaschenbecher aus.
»Das bin ja ich«, stellte er fest und schaute mit schräg geneigtem Kopf zu Gunnarstranda, als erwarte er eine Erklärung.
Als diese ausblieb, zog er eine Packung Teddy aus der Brusttasche und pulte eine Zigarette heraus.
Er bot auch Gunnarstranda eine an, der aber den Kopf schüttelte. Valeur hielt die Zigarette ein paar Sekunden gegen das Licht, dann zündete er sie mit einem roten Einwegfeuerzeug an und sprach aus dem Mundwinkel. »Ich bin ein nostalgischer Mensch, Gunnarstranda, das ist ein Teil meiner Persönlichkeit. Ich suche nach einer Art Glück aus alten Zeiten - obwohl ich weiß, dass solch ein Glückszustand eigentlich eine Illusion ist. Aber was kann man schon gegen eine Leidenschaft machen? Ich sehne mich zurück in die Zeit mit Radio Lux, alten Liedern, Gitarrenboogie. Als ich ein Teenager war und anfing zu rauchen, konnte man noch in einen Laden gehen und gute Zigaretten kaufen. Die Auswahl war himmlisch: Camel, Rothmans, Benson & Hedges, Pall Mall, South State, Kent, Merit, Blue Master, Red Virginia, Gitanes, Gauloises, Lucky Strike. Damals war die Zigarettenmarke, die man rauchte, ein Teil der eigenen Persönlichkeit. Ich suche die Nostalgie, Gunnarstranda, ich sehne mich ständig zurück nach einer Form vergangener Harmonie.«
»Mama, ich will zurück«, sagte Gunnarstranda. »Zurück in deinen warmen, sicheren Bauch, in die Zeit vor der Ankunft in der Wirklichkeit mit all ihren Schwierigkeiten und komplizierten Entscheidungen.«
»So weit zurück hatte ich nicht gedacht«, konterte Valeur scharf. »Was hat meine Mutter damit zu tun?«
Gunnarstranda hob abwiegelnd die Hände. »Fragen Sie sich gar nicht, warum ich Ihnen diese Bilder zeige?«
Valeur tippte mit dem Finger auf eins der Fotos. »Natürlich. Ich erwarte bei Ihnen die gleiche Progression wie bei meinen Patienten. Früher oder später werden Sie auf das Wesentliche zu sprechen kommen.«
Gunnarstranda sah auf. Sein Blick wurde erwartet. Ein bisher unbekannter Valeur schaute Gunnarstranda von irgendwoher hinter den Augenlidern an. Dieses Rumpelstilzchen zwinkerte dem Polizisten kurz zu, doch in dem Moment, wo dieser es entdeckte und festzuhalten versuchte, zog es sich sofort wieder zurück und verschwand.
Gunnarstranda konzentrierte sich wieder auf die Fotos.
»Diese Bilder hat ein Mann namens Sivert Almeli gemacht, vor wenigen Tagen. Er war Bibliothekar in der Deichmanschen Bibliothek.«
»War?«
»Er wurde von einem unbekannten Täter ermordet.«
Valeur zog beide Augenbrauen hoch. »Warum hat er mich fotografiert?«
»Das fragen wir uns auch.«
Valeur schüttelte den Kopf. »Den Satz haben Sie sicher schon oft gehört - aber ich verstehe überhaupt nicht, worum es hier geht.«
Gunnarstranda legte das Foto aus dem Freizeitpark auf den Tisch. Almeli im Kanu, den Wasserfall hinunter. »Haben Sie diesen Mann behandelt oder ihn in irgendeinem anderen Zusammenhang schon einmal gesehen?«
Valeur griff nach dem Foto und betrachtete es genau, drehte und wendete es. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Tut mir leid, ich fürchte, ich bin Ihnen keine besondere Hilfe.«
»Was für eine Beziehung haben Sie zur Deichmanschen Bibliothek?«
»Vor dreißig Jahren hatten sie eine Filiale am Valkyrie Plass. Ich bin in Majorstua aufgewachsen, im Bogstadveien. Manchmal habe ich dort Jugendbücher ausgeliehen. Die Filiale gibt es natürlich nicht mehr. Es wurde wohl zu kostspielig, die Räume zu mieten und eine Bibliothekarin zu bezahlen. Aber immerhin, damals waren Bücher so wichtig für die Menschen, dass sie eine Filiale der Bibliothek in ihrer Nähe haben wollten. Verstehen Sie, was ich meine, wenn ich sage, dass ich mich nach einer vergangenen Zeit zurücksehne? Tja - jetzt lese ich meist Fachliteratur und bestelle das, was ich brauche, im Internet.«
Valeur rauchte hektisch.
Gunnarstranda fragte sich, was er da gerade bei seinem Gegenüber gesehen hatte, und hätte es gern noch einmal hervorgelockt. Er holte ein Päckchen Nikotinkaugummis aus der Tasche, packte eins aus und steckte es in den Mund.
»Ich habe einmal viel mehr geraucht als Sie«, sagte er. »Ich entwickle gerade eine Raucherlunge und
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