Reine Glückssache
überfordern.
»Ich bin seit einunddreißig Jahren in der Firma«, sagte sie.
»Ich habe noch unter Cones Senior angefangen, gleich nach der High School.«
Kein Wunder, dass sie wie eine wandelnde Mumie aussah. Einunddreißig Jahre bei Neonlicht irgendwelchen Metallkram auf Herz und Nieren überprüfen – meine Fresse!
Jane erklomm einen Hocker und wählte ein kleines Zahnrad aus einer riesigen Karre voller kleiner Zahnräder. »Wir prüfen hier zwei verschiedene Dinge. Einmal prüfen wir stichprobenartig neue Produkte.« Sie bedachte mich mit einer entschuldigenden Miene. »Das ist leider ein bisschen öde.« Sie hielt mir das Zahnrad in der flachen Hand hin.
»Und wir prüfen Teile, die nicht funktionieren und zurückgeschickt wurden. Diese Prüfung ist viel interessanter. Heute prüfen wir leider nur neue Produkte.«
Sorgfältig vermaß Jane jedes Zahnrad und untersuchte es unter einem Mikroskop auf Fehler. Als sie fertig war, fasste sie in die Karre und suchte sich das nächste Zahnrad aus. Ich musste mir ein Gähnen verkneifen. Erst zwei Zahnräder geschafft, und dreitausend warteten noch.
»Ich habe gehört, Singh wäre eines Tages nicht zur Arbeit erschienen«, sagte ich wie beiläufig, um meine Neugier zu kaschieren. »War er nicht zufrieden mit dem Job?«
»Weiß nicht«, sagte Jane, auf das neue Zahnrad konzentriert. »Er war nicht sehr gesprächig.« Nach ausführlichen Messungen entschied sie, dass das Rad in Ordnung war, und ging zum dritten über.
»Möchten Sie mal versuchen?«, fragte sie.
»Klar.«
Sie übergab mir das Zahnrad und zeigte mir, wie man es vermaß.
»Sieht doch gut aus«, sagte ich, nachdem ich den Vermessungskram erledigt hatte.
»Nein«, sagte sie. »Es hat eine Macke an einer Seite. Sehen Sie den kleinen Grat hier am Rand von dem einen Zahn?«
Jane nahm mir das Teil aus der Hand, feilte ein bisschen herum und maß noch einmal nach. »Vielleicht besser, wenn Sie erst noch eine Weile zusehen«, sagte sie.
Ich schaute Jane dabei zu, wie sie die vier nächsten Zahnräder vermaß, dann wurden meine Augen glasig und Sabber troff mir aus dem Mund. Leise rutschte ich von meinem Hocker und schlich mich zur nächsten Kabine.
Dolly Freedman prüfte ebenfalls neue Zahnräder. Dolly trank einen Schluck Kaffee und vermaß das Rad. Dann trank sie wieder einen Schluck und nahm die nächste Prüfung vor. Sie war genauso dünn und blass wie Jane, dafür war sie lebhafter. Sie war kaffeesüchtig. »Ein Superscheißjob ist das«, sagte Dolly zu mir. Sie sah sich um. »Guckt gerade jemand?«, fragte sie. Dann nahm sie eine Hand voll Zahnräder und schleuderte sie in den Korb mit den guten Teilen.
»Für mich waren die in Ordnung«, sagte sie. Dann trank sie wieder einen Schluck Kaffee.
»Ich soll Samuel Singhs Stelle übernehmen«, verriet ich ihr. »Wissen Sie, was mit ihm los ist? Ich habe nur gehört, dass er eines Tages nicht zur Arbeit erschienen ist.«
»Ja, das habe ich auch gehört. Es hat keiner viel über ihn geredet. Er war ein ruhiger Typ. Er hat immer seinen Computer mit sich rumgeschleppt, saß in den Pausen ständig davor.«
»Computerspiele?«
»Nein. Er hat sich immer ins Netz eingewählt. Hat gesurft. E-Mails verschickt. War ziemlich geheimnistuerisch. Wenn jemand gekommen ist, hat er den Laptop zugeklappt. Wahrscheinlich hat er sich auf den Pornoseiten rumgetrieben. Nach dem Aussehen war er der Typ dazu.«
»Ein Schleimer?«
»Ein Mann. Gegen solche Typen habe ich vorgesorgt.« Sie zog die oberste Schublade ihres Schreibtischs auf und zeigte mir eine Dose Pfefferspray.
Ich drehte weiter meine Runde durch den Raum, hob mir Edgar, den Asiaten, bis zum Schluss auf. Einige Frauen fanden, Singh hätte traurig ausgesehen. Alice Louise hatte den Verdacht, dass er vielleicht heimlich schwul war. An seiner Arbeitsmoral hatte niemand was auszusetzen. Er kam pünktlich, und er schaffte seine Karre mit den Zahnrädern. Keiner wusste, dass er verlobt war. Keiner hatte eine Ahnung, wo er wohnte oder wie er seine Freizeit verbrachte, außer mit Surfen im Internet. Alle hatten den Zeitungsartikel gelesen und fanden, Vinnie sähe aus wie ein Wiesel.
Um die Mittagszeit rief ich Ranger an.
»Yo«, meldete er sich.
»Wollte nur mal reinhorchen.«
»Was ist mit den Leuten von TriBro Tech?«
»Bringt nicht viel. Aber es ist ja noch früh am Tag.«
»Dranbleiben, Babe, dranbleiben.« Er legte auf.
Am frühen Nachmittag schlenderte ich hinüber zu Edgars Tisch. Edgar
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