Reine Glückssache
eingefetteten nackten Saftsack auf der Polizeiwache anschleppte, musste ich mir ein paar blöde Kommentare anhören, aber damit konnte ich leben.« Wieder schüttelte er den Kopf. »
Hiermit –
kann ich nicht leben. Das müssen wir in Ordnung bringen. Ich kann es mir nicht leisten, wenn uns dieser Mann flöten geht. Entweder finden wir Singh, tot oder lebendig, oder wir sind alle arbeitslos. Wenn ich nach dieser ganzen Publicity die Visumskaution nicht einfordern kann, nehme ich einen anderen Namen an, ziehe nach Scottsdale, Arizona, und werde Gebrauchtwagenhändler.« Vinnie sah Ranger durchdringend an. »Du findest ihn doch bestimmt, oder?«
Rangers Mundwinkel schoben sich um den Bruchteil eines Millimeters nach oben. Es entsprach dem, was bei anderen Menschen ein Lächeln ist.
»Ich interpretiere das als ein Ja«, sagte Vinnie.
»Ich brauche Hilfe«, sagte Ranger. »Und wir müssen ein Honorar aushandeln.«
»Gut. Mir ist alles recht. Du kannst Stephanie haben.«
Ranger sah mich scheel von der Seite an, und das Lächeln wurde um eine Idee breiter – das Lächeln eines Mannes, dem unerwartet ein Sahneschnittchen vorgesetzt wird.
2
Connie übergab Ranger einen Stapel Papiere. »Hier ist alles, was wir über ihn haben«, sagte sie. »Eine Kopie der Kautionsvereinbarung, ein Foto, ein bisschen Biografisches. Ich rufe mal bei den Krankenhäusern und bei der Gerichtsmedizin an. Und ich recherchiere im Netz. Bis morgen habe ich einiges mehr beisammen.«
Wir befinden uns im Informationszeitalter. Man meldet sich bei einem Server an, drückt ein paar Tasten auf seinem Computer, und in Sekundenschnelle spuckt er aus, was man wissen will … alle Namen auf dem Familienstammbaum, berufliche Laufbahn, Kreditwürdigkeit, Liste aller bisherigen Adressen. Mit genug Geld und Ausdauer ist es sogar möglich, Zugang zu Informationen über vertrauliche Arztbesuche und außereheliche Affären zu bekommen.
Ranger las sich die Akte Singh durch und sah dann mich an. »Bist du frei?«
Connie fächelte sich Luft zu, und Lula biss sich auf die Unterlippe.
Ich seufzte schwer. Dieser Zugriff entwickelte sich zu einem Problem. Gerade hatte ich mich wieder voll und ganz auf Joe Morelli eingelassen, einen Polizisten aus Trenton. Mit Joe verband mich eine lange, seltsame Beziehung, wahrscheinlich war es Liebe. Ehe als logische Folge kam für uns beide dennoch nicht in Frage. Es war eines der wenigen Dinge, auf die wir uns einigen konnten. Morelli mochte meinen Job nicht, und ich konnte seine Oma nicht ausstehen. Außerdem waren wir grundverschiedener Ansicht über die Frage, ob Ranger als Partner zu akzeptieren war oder nicht. Beide stimmten wir darin überein, dass Ranger gefährlich war und eine leichte Macke hatte. Morelli wollte, dass ich mich von Ranger fern hielt, ich fand, ein Abstand von zehn bis zwanzig Zentimetern reichte.
»Wie willst du vorgehen?«, fragte ich Ranger.
»Ich übernehme die Nachbarn. Du knöpfst dir Singhs Arbeitgeber vor, TriBro Tech. TriBro müsste eigentlich mit uns kooperieren. Die Firma hat doch von dem ganzen Deal profitiert.«
Ich salutierte wie ein Soldat. »Alles klar«, sagte ich. »Und vergiss nicht, nach dem Hund zu fragen.«
Das Beinahe-Lächeln in Rangers Gesicht kehrte zurück.
»Nichts unversucht lassen, was?«, sagte er.
»Auch Hunde sind Menschen«, sagte ich.
In Wahrheit war mir Samuel Singh vollkommen schnuppe. Ich weiß, dass das nicht die richtige Einstellung ist, aber ändern konnte ich es auch nicht. Und Mrs. Apusenja konnte mir sowieso gestohlen bleiben. Mrs. Apusenja war ein Grottenolm; die wahren Hilfsbedürftigen schienen mir Nonnie und der Hund zu sein. Der Hund löste den Beschützerinstinkt in mir aus. Wer hätte das gedacht? Mir kam es auf den Hund an, ihn wollte ich unbedingt finden.
Ranger machte sich auf die Socken, und ich fuhr nach Hause, um mich erst mal zu entfetten, bevor ich Singhs Arbeitgeber befragen wollte. Ich wohne in einem dreigeschossigen Mietshaus aus Backstein, das außer mir sonst nur von Frischvermählten und Scheintoten bewohnt wird. Das Haus bietet nicht die üblichen Annehmlichkeiten, dafür ist die Miete billig, und Pizza kann man sich auch liefern lassen. Ich stellte meinen Wagen auf dem Mieterparkplatz ab, stieg die Treppe in den ersten Stock hoch und musste erstaunt feststellen, dass meine Wohnungstür nicht verschlossen war. Ich steckte den Kopf durch die Tür und rief: »Jemand zu Hause?«
»Ja. Ich bin’s«, rief Morelli aus dem
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