Reinen Herzens
Irena Kafková, geborene …« Sie sah fragend zu Agáta hinüber.
»Veselá«, soufflierte Agáta. Wirklich ein bemerkenswertes Kind, so erwachsen für sein Alter. Dafür war wohl ihr ungewöhnliches Leben mit den vielen Geheimnissen verantwortlich.
»Irena Veselá?«, fragte David erstaunt. »Äh ja, aber das ist schon ziemlich lange her. Warum? Kennst du sie?«
Hermiona ignorierte seine Fragen. »Wie gut haben Sie sie gekannt?«
Er lächelte. »Sehr gut. Sie war meine Freundin, aber sie hat mich verlassen, als ich nach Amerika gegangen bin. Sie wollte nicht mitkommen.« Die schöne, fröhliche Irena, seit Jahren hatte er nicht mehr an sie gedacht, obwohl er damals völlig verzweifelt gewesen war. Er war drauf und dran gewesen, nicht nach Amerika zu gehen, aber sie hatte ihn dazu gedrängt, seinen Traum nicht ihretwegen aufzugeben. Vielleicht war ihre Entscheidung damals richtig gewesen. Jedenfalls trauerte er der Sache schon lange nicht mehr nach. Als er Jahre später zurückgekommen war, hatte er überhaupt nicht daran gedacht, sie aufzusuchen. Aus den Augen, aus dem Sinn. »Warum fragst du?«
»Wann war das?«
»Hm, das war gleich nach der Revolution …«
»Wann genau ?«, hakte Hermiona nach.
»Im Dezember 1989.«
»Wollten Sie sie heiraten?«
David zog die Brauen hoch. »Ja, das wollte ich damals, aber wie gesagt, sie wollte nicht. Leider.« Was sollten diese Fragen? Das Haus des Mädchens war abgebrannt, ihre Großmutter gestorben, ihr Großvater vermutlich in den Flammen umgekommen – und sie stellte ihm Fragen nach einer verflossenen Liebe? Er konnte sich keinen Reim darauf machen. »Was hat Irena mit dir zu tun?«, wiederholte er seine Frage.
»Das ist auch eine lange, komplizierte Geschichte«, erwiderte Hermiona. Sie streckte die Hand nach der Urkunde aus, die Agáta noch immer in Händen hielt, und reichte sie David. »Da. Deshalb habe ich gefragt.«
»Das ist ein Totenschein …«, sagte er und las halblaut vor, während sein Blick über die Seite wanderte, »ein totgeborenes Kind, Hermiona Veselá, geboren im Juni 1990 … Mutter … Irena Kafková, geborene Veselá … Vater …« Er sah verblüfft Hermiona an.
» David Anděl . Genau. Deshalb wollte ich das alles wissen.« Der Hauch eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. »Du bist mein Vater.«
»Da … äh, Martin , Ota Nebeský hat mich gerade angerufen …«, platzte Larissa herein. »Oh … äh, ich wollte nicht stören«, stotterte sie, als sie die seltsame Atmosphäre bemerkte.
David ignorierte sie, starrte noch immer Hermiona an. Vater. Meine Tochter. Unfassbar. Warum hatte Irena ihm nichts gesagt? »Wo ist Irena?«, fragte er heiser.
»Das wollte ich dir gerade sagen«, mischte sich Larissa ein, »die Knochen aus dem ausgebrannten Wagen, den der Förster gefunden hat, das war Irena Kafková …« Sie stockte. »Das vermuten sie jedenfalls … Was ist los?«
Davids Kopf fuhr zu ihr herum. »Irena ist tot?« Er sah verwirrt von einer zur anderen. »Würde mir bitte jemand erklären, was das alles zu bedeuten hat?«
»Sie war hier«, erklärte Hermiona, »Irena. Sie hat mich gesucht … und dann …« Sie begann zu schluchzen.
David legte ihr beruhigend die Hand auf die Schulter. »Ja?«
Hermiona schüttelte den Kopf, griff nach Davids Hand und hielt sie fest. Die Tränen rannen ihr über das Gesicht, sie wischte sie mit ihrem Ärmel ab.
»Irena Kafková kam hierher, um alte Nähmaschinen zu kaufen, angeblich für ihren Antiquitätenladen in Prag«, schaltete sich Agáta ein, »dann begann sie, Hermionas Großmutter nach einem Kind auszufragen, das sie suchte …« In kurzen, präzisen Worten schilderte sie, was sie am Tag zuvor von Hermionas Großvater erfahren hatte. Diesmal ließ sie nichts aus. »Dem Inspektor, der vorhin hier war, haben wir nur das Allernotwendigste gesagt«, schloss sie.
Anděl wandte sich Hermiona zu. »Das alles tut mir schrecklich leid. Aber vielleicht ist es ja ein kleiner Lichtblick, dass du trotz allem nicht ganz allein bist auf der Welt. Du hast jedenfalls einen Vater.« Er lächelte sie an. »Ich bin glücklich, dass ich eine Tochter habe. – Wir werden das schon irgendwie hinkriegen.« Er wunderte sich über seine Gelassenheit. Das muss der Schock sein, dachte er, was mache ich mit einer Tochter? Er verdrängte die Frage. Das hatte Zeit, bis sie diese ganze vertrackte Geschichte gelöst hatten. Eva und ihr Kind waren tot. Sein Kind – oder auch nicht. Und nun hatte er plötzlich doch
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