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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Verdammtes Pech. Aber Pech war nicht vorgesehen. Hier zählte nur Präzision, das Vorhersehen jeder noch so winzigen Kleinigkeit. Er hätte auch das Unwahrscheinliche bedenken sollen, nicht nur das Mögliche. Es hätte ein einfacher Job sein sollen. Die Gegend war spät abends eher einsam, das Ziel im Schein der Straßenlaternen gut zu erkennen, die Entfernung zum geplanten Tatort nur noch eine Frage von wenigen Minuten, der Fluchtwagen war bereitgestellt, der Fluchtweg sorgfältig geplant. Er hatte am Krankenhaus gewartet und die Frau durch die halbe Stadt verfolgt. Selbst auf dem Weihnachtsmarkt, den sie auf dem Heimweg besucht hatte, und in der überfüllten Straßenbahn hatte er sie nicht verloren. Er hatte an der Hausecke, um die sie verschwunden war, einen Moment angehalten, um ihr wieder einen größeren Vorsprung zu gönnen. Sie war zwar erstaunlich flott unterwegs dafür, dass sie so dick war, aber er hatte ihr nicht zu nahe kommen wollen. Irgendjemand war an ihm vorbeigegangen, aber in die Richtung, aus der er und die Frau gekommen waren, er hatte sich sicherheitshalber kurz umgedreht, aber dieser Mensch hatte ihn wohl gar nicht wahrgenommen, so eingemummelt in einen dicken Anorak, Schal und Kapuze, wie er war. Noch ein paar Sekunden warten, hatte er gedacht, lass ihr ein bisschen Vorsprung, damit sie auf die letzten Meter nicht merkt, dass sie verfolgt wird, nur noch zwei Blocks, dann ist es endlich so weit. Ihm war heiß und kalt, vermutlich kroch ihm eine Grippe in die Glieder, er schwitzte und zitterte zugleich. Scheiß Winter, dachte er, ich sollte endlich auswandern. Er lugte um die Ecke, ganz in Gedanken versunken über die Frage, ob er die Malediven oder doch die Bahamas vorziehen würde für seinen Ruhestand. Doch dann war die Frau plötzlich stehen geblieben. Erst da war ihm dieser Mann aufgefallen. Wo zum Henker war der jetzt plötzlich hergekommen? Nur ein paar Meter vor der Frau, die er verfolgte, lud ein Mann irgendwas aus dem Kofferraum eines Kleinwagens. Sie rief ihm etwas zu. Jetzt hält sie auch noch ein Schwätzchen, dachte er genervt. Junge, verschwinde endlich, murmelte er ärgerlich vor sich hin, während er ungeduldig die Frau und diesen Typen beobachtete. Der Bursche sah nicht gerade aus, als würde er sich über das Treffen freuen, sein Ton war jedenfalls nicht freundlich. Der Verfolger hatte plötzlich ein sehr unangenehmes Gefühl in der Magengegend, er ließ seinen Rucksack in den Schnee fallen, riss seine Waffe und einen kleinen Behälter heraus, aus dem er flink mit einer Pinzette seine Spezialpatronen fischte. Vorsichtshalber füllte er die Trommel seines Revolvers. Keine Sekunde zu früh, wie sich gleich herausstellte, denn plötzlich zog die Frau etwas aus ihrer Jackentasche und hob den Arm in Richtung ihres unwilligen Gesprächspartners. Himmel, dachte er, sie wird doch nicht … Etwas blitzte im Licht der Straßenlaterne auf. Im nächsten Moment zischten kurz nacheinander vier Schüsse aus seiner Waffe in Richtung der beiden. Die Frau stürzte zu Boden, so wie der Mann nur einen Augenblick zuvor. Er stopfte seine Gerätschaften eilig in seinen Rucksack und rannte im Schutz der Hauswand los in Richtung der beiden. Verdammt, verdammt, verdammt ! Jetzt hatte er zwei Leichen an der Backe, die er verschwinden lassen musste. Ich hätte den Typen nicht erschießen sollen, dachte er. Aber was hätte er sonst tun sollen? Der Boss hatte heute Abend gesagt, es sei sehr dringend, dieses Engelchen müsse weg. Er hatte keine Wahl gehabt, der Typ musste ihn gesehen haben – schließlich war er keine zwanzig Meter entfernt gewesen. Keine Zeugen und keine Spuren zu hinterlassen war immer sein oberstes Ziel. Aber es war schiefgegangen – sein Fluchtwagen stand zwei Blocks weiter. Ganz ruhig, dachte er, vielleicht kann ich die beiden trotzdem irgendwie einpacken … Plötzlich stürzte nur wenige Meter vor ihm eine Frau aus einer Haustür, rief einen Namen. Er drückte sich erschrocken in einen Hauseingang. Das geht ja zu wie auf der Post, dachte er irritiert. Was zum Teufel machten all diese Leute bei diesem Wetter so spät auf der Straße? Die Frau ließ ihre Handtasche fallen, schlitterte, stürzte, rappelte sich auf, rannte weiter zu dem Mann, der zwischen den parkenden Autos lag. Verdammter Mist, dachte er, der Typ hatte jemanden dabei, also – Plan B. Er hatte keinen Plan B, nur Pech auf der ganzen Linie. Hatte sich das Schicksal gegen ihn verschworen? Er neigte nicht zu

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