Reinen Herzens
hatten wir auch schon hier.«
Larissa beschloss, nicht lange um den heißen Brei herumzureden. »Nun, es geht das Gerücht, dass die Prostitution in dieser Gegend neue Formen angenommen hat …«
»Sie meinen die Sache mit der Kinderprostitution?«, unterbrach Sabrina Jandová Larissas vorsichtige Formulierung. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und seufzte. »Ich wüsste wirklich gerne, wer das in die Welt gesetzt hat!«
»Heißt das, dass es tatsächlich nur ein geschmackloses Gerücht ist?«
»Selbstverständlich. Ich kann mir so eine Scheußlichkeit gar nicht vorstellen, auch wenn ich weiß, dass es sie gibt. Aber sicher nicht hier bei uns.« Sie sah Larissa ernst an. »Jedenfalls nicht so, wie es dieses unappetitliche Gerücht behauptet. Was haben Sie denn bisher erfahren?«
Larissa nahm den gefalteten Artikel aus ihrem Notizbuch und breitete ihn auf dem Schreibtisch der Chefredakteurin aus. »Ich weiß nicht mehr, als da drin steht«, flunkerte sie. »Ich hatte gehofft, Sie könnten mir etwas mehr erzählen.« Von wissen konnte ja eigentlich auch nicht die Rede sein, sie hatte nur allerlei gehört.
Sabrina Jandová beugte sich vor und warf einen Blick auf den Artikel. »Ja, den kenne ich auch. Sehr viel mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
Es klopfte an der Tür und die Sekretärin kam mit einer Tasse türkischen Kaffees herein.
»Danke, Hanka. Stell ihn auf den Tisch dort hinten, bitte.« Sie griff nach ihrer Tasse und stand auf. »Kommen Sie, setzen wir uns da drüben hin. Das ist bequemer.« Sie ging zu einer kleinen Sitzecke im Erker. Larissa folgte ihr und nahm ihr gegenüber in einem bequemen Sessel Platz. Die Sekretärin stellte die Tasse und eine Zuckerschale ab und verließ das Büro.
»Ein hübscher Erker – und eine tolle Aussicht«, sagte Larissa. Der ganze große, schneebedeckte Platz lag wie auf einem Präsentierteller vor ihnen. Sie fühlte sich wie auf dem Balkon in der Oper.
Sabrina Jandová lachte. »Ja, nicht wahr? Ich habe mir mit Absicht dieses Büro ausgesucht. Sie wissen, was es mit diesem Erker auf sich hat?«
Larissa schüttelte den Kopf. So weit war sie noch nicht gekommen in ihrem Reiseführer.
»Das ist der Erker, von dem aus Hitler am 3. Oktober 1938, nur zwei Tage nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Tschechoslowakei, zu den begeistert johlenden Sudetendeutschen gesprochen hat. – Es bereitet mir täglich Freude, dass nun die freie tschechische Presse hier residiert. Eine kleine, späte Genugtuung. Aber Sie wollten ja etwas über dieses Gerücht wissen.« Sie nahm einen Schluck Kaffee und fuhr fort: »Wo soll ich anfangen? Die Prostitution hat seit der Wende hier ein großes Ausmaß angenommen. Was das angeht, sind wir leider zu trauriger Berühmtheit gelangt – über die Landesgrenzen hinaus. Obwohl entlang der E55 im Norden Tschechiens noch mehr los ist. Inzwischen stehen die Frauen hier zwar nicht mehr auf der Straße, aber es gibt leider viele Bordelle. Die Freier kommen größtenteils aus Deutschland – die Preise sind hier niedriger, und die Prostituierten stellen keine Ansprüche. Viele von ihnen sind aus Osteuropa – aus der Ukraine, aus Russland, und sonst woher. Dann gibt es natürlich auch Zigeunerinnen – entschuldigen Sie, das ist dumme, alte Gewohnheit –, Roma, sollte ich sagen.« Sie schwieg einen Moment nachdenklich, dann fuhr sie fort: »Hören Sie, Larissa – unter Kolleginnen können wir die Förmlichkeiten lassen, nicht wahr?«
Larissa nickte und wartete gespannt.
»Lassen Sie die Finger von dieser Sache, Larissa. Fahren Sie zurück nach Prag und kümmern Sie sich um nettere Dinge.«
»Haben Sie das auch den anderen Journalisten empfohlen?«, fragte Larissa mit hochgezogenen Brauen.
»Nein«, gab Sabrina Jandová zu, »das sind gestandene Männer, die … Ach, Sie haben ja recht. Entschuldigen Sie, ich wollte damit nicht sagen, dass Sie keine ernst zu nehmende Journalistin sind. Aber die Sache ist nicht ungefährlich, verstehen Sie? Die Prostitution ist ein hartes Geschäft, die Zuhälter sind Kriminelle, die niemanden mit Samthandschuhen anfassen, der sich da einmischt.«
»Das erwarte ich auch nicht. Ich bin mir der Gefährlichkeit durchaus bewusst.«
»Nein«, unterbrach Sabrina sie und schüttelte den Kopf, »nein, Sie verstehen mich nicht. Es stecken Leute in diesem Geschäft, die man nicht unbedingt damit in Zusammenhang bringen würde. Und es passieren Dinge …« Sie seufzte vielsagend.
»Was für Dinge,
Weitere Kostenlose Bücher