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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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selbst mit der Idee trug, einen zu schreiben. Leider fehlte ihr bisher eine Geschichte, die es wert wäre, aufgeschrieben zu werden.
    »Oh, es geht um einen jungen Amerikaner, einen Journalisten, der in Prag ist, um nach seinem älteren Bruder zu suchen«, erzählte John, offenbar begeistert, dass er eine willige Zuhörerin gefunden hatte. »Der Bruder ist kurz nach der Samtenen Revolution verschwunden. Der Journalist hört zufällig in einer Kneipe, in der er auf eine Frau, eine Russin, wartet, die etwas über das Verschwinden seines Bruders weiß, ein Gespräch und wird damit zum Zeugen eines illegalen Geschäfts. Über die Frau, die während des Gesprächs in die Kneipe kommt, kommen die Männer darauf, dass er alles mitgekriegt hat, und halten ihn für einen Agenten der CIA – na ja, und natürlich wollen sie den Zeugen beseitigen, und die Frau verschwindet ebenso wie sein Bruder. Es geht nämlich um rote Rosen und …«
    Larissa musste sich beherrschen, um nicht die Augen zu verdrehen. Was für eine alberne Agentengeschichte. Aber vermutlich war es genau das, was das durchschnittliche Publikum liebte – Graham Greene für geistig Arme. Solches Zeug konnte sich doch jeder Trottel aus den Fingern saugen. Aber vermutlich würde John damit sogar einen Bestseller landen, dachte sie etwas verärgert. Wieso dachte sie sich nicht so was aus? »Nette Geschichte, absurd, aber nett ausgedacht«, sagte sie gelangweilt und sah sich dabei im Restaurant um. Ein großer, angenehm luftig eingerichteter Raum mit ochsenblutroten Wänden und einer bequemen gepolsterten Bank, die rundherum an der Wand entlanglief, dazu viele kleine Tische mit weißen Tischdecken. Der Blick aus den Fenstern fiel auf den winterlichen See. Am anderen Ufer entdeckte sie auf einer Anhöhe ein ausladendes gelb gestrichenes Gebäude mit allerlei weißem Zierrat. Ein prächtiges Beispiel für den allerorts wuchernden Unternehmerbarock, wie dieser protzige Baustil ironisch genannt wurde. Ob das wohl Kalifornien war, fragte sie sich, oder doch eher Florida?
    »Ausgedacht habe ich mir nur die Rahmenhandlung mit dem verschwundenen Bruder und der Frau«, riss John sie aus ihren Gedanken. »Die Sache mit den roten Rosen ist echt.«
    »Tatsächlich?«, erwiderte sie ironisch und wandte ihm wieder ihre Aufmerksamkeit zu. »Ich wusste gar nicht, dass der Handel mit roten Rosen hierzulande illegal ist. Sie meinen doch eigentlich Mohn, ich meine Schlafmohn, nicht wahr? Daraus wird Opium hergestellt – aus roten Rosen macht man höchstens Marmelade. Und das auch nur, wenn sie besonders gut riechen.«
    »Sie machen sich lustig über mich, aber die Sache ist ernst. Ein echter Hammer.« Er sah sich um. Abgesehen vom Kellner, der sich an den Tischen in ihrer Nähe zu schaffen machte, waren sie allein in dem großen Raum. Offenbar beruhigt, beugte John sich vor und fuhr fort: »Na schön – was, wenn ich Ihnen sage, dass ich so ein Gespräch vor ungefähr einem halben Jahr tatsächlich mitangehört habe? In einer Kneipe in Prag. Ein Kaukasier, ein Asiate und zwei Tschechen haben darüber gesprochen. Das war der Ausgangspunkt für meinen Roman. Seitdem habe ich in jeder freien Minute recherchiert. Ich habe eine ganze Menge Material.« Er klopfte auf seine Umhängetasche, die neben ihm auf der Bank lag. »Alles da drin auf meinem Notebook und … an anderen sicheren Stellen.« Er lächelte vielsagend.
    »Sie wollen allen Ernstes behaupten, dass es illegalen Handel mit roten Rosen gibt? Mit Blumen ?! Machen Sie sich nicht lächerlich, Johnny.« Larissa war sich durchaus bewusst, dass sie selbst gelegentlich dazu neigte, mit zu viel Naivität an ihre Themen ranzugehen, aber was sie da eben gehört hatte, schlug dem Fass den Boden aus. Sie dachte an David Anděl, der ihr diese Naivität immer wieder vorgehalten hatte. Der Gedanke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Sie wünschte, sie würde ihm davon erzählen können, nur um zu beweisen, dass es weit schlimmere Naivlinge gab als sie selbst. Zu spät. Der Kommissar war alles andere als naiv gewesen. Trotzdem war er tot.
    »Dann will ich Ihnen mal ein bisschen Nachhilfe geben. Rote Rosen sind das Codewort für rotes Quecksilber oder auch für hochreines Uran beziehungsweise Plutonium. Es geht nicht um Drogen oder solchen Mist. Das sind Peanuts dagegen. Es gibt Leute, die versuchen, dieses gemeingefährliche Zeug meistbietend zu verschachern. Illegal, wohlgemerkt. Und die Mittelsmänner sitzen in Prag.« Er lehnte sich

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